Musikfernsehen in Deutschland

Dr. Matthias Kurp ist Medienforscher, Fachjournalist und Lehrbeauftragter an der Universität Münster. Claudia Hauschild arbeitet bei der Hamburger PR-Agentur MMK Markt- und Medienkommunikation. Klemens Wiese ist für den Bereich Öffentlichkeitsarbeit bei Mute Records in Berlin zuständig. Alles Personen vom Fach, die es sich Aufgabe gemacht hatten, das deutsche Musikfernsehen unter die Lupe zu nehmen. Aus verschiedenen Blickwinkeln – politischer, soziologischer und medienökonomischer Natur – analysieren sie das Programm von Viva, kehren die Rollen des Global Players MTV heraus und versuchen sich an den Themen Kommerz, Politik sowie ganz allgemein an dem des kriselnden deutschen Musikmarktes.

Was die drei AutorInnen auf etwas mehr als 270 Seiten zusammen getragen haben, ist überaus interessant und fundiert. Wird aber Szeneinsider oder solche Damen und Herren, die nicht nur Musikmagazine, sondern auch regelmäßig Medienmagazine beziehungsweise die Medien- und Feuilleton-Seiten einschlägiger Tageszeitungen lesen, weit weniger überraschen.

Eine Überraschung war es allerdings zu lesen, dass die Anteile der Videos der Viva Media AG-Gesellschafter im Vergleich zu den Nicht-Gesellschaftern genau in dem Verhältnis stehen, das den Marktanteilen der entsprechenden Labels entspricht. Will heißen: 55% der auf Viva ausgestrahlten Clips stammen aus den Häusern Edel, EMI, Universal und Warner. Firmen also, die in Deutschland insgesamt 55% Marktanteile abdecken. Der Rest verteilt sich auf diverse Indiefirmen sowie die Majors Sony und BMG. Wer es nicht wusste, der weiß nun, dass bei der Viva Medien AG einige Plattenfirmen beteiligt sind. Interessant, nicht? Jedenfalls hätte man eine deutliche Bevorteilung der Gesellschafter-Plattenfirmen erwartet. Allerdings gibt es eine Bevorzugung der Videoclips der Gesellschafterfirmen zur Prime Time – zumindest was den Untersuchungszeitraum betrifft, der sich über sieben Tage im Mai, Juni und Juli 2000 und Januar 2001 erstreckte und der jeweils von 6 bis 24 Uhr dauerte.

Des weiteren haben die drei AutorInnen verschiedene Erhebungen über den deutschen und internationalen Tonträgermarkt (Mega-Deals der Majors, Tonträger-Umsätze, Marktmechanismen) sowie die soziale Rolle der Musikvideos als „Vehikel für Lebensentwürfe“ herausgearbeitet, die Kostenstruktur von Musik-CDs offengelegt und meist hausgemachte Probleme der Musikindustrie (Vereisen der A&R-Abteilungen, während das meiste Geld ins Marketing gebuttert wird; Trend zum Filesharing und CD-Brennen) angesprochen. Kurzum: Es geht um mehr als nur das Musikfernsehen. Die deutsche und damit zwangsläufig auch internationale Musikindustrie als Ganzes steht im Mittelpunkt dieses eher wissenschaftlichen als populär-wissenschaftlichen Buchs. Ein wenig Zeit sollte man sich für diese Lektüre schon nehmen.

Matthias Kurp, Claudia Hauschild, Klemens Wiese:
Musikfernsehen in Deutschland. Politische, soziologische und medienökonomische Aspekte
Westdeutscher Verlag
274 Seiten - €29,90

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