Diese Geschichte bewegt noch immer: zwei Paare, die als Pop-Quartett Musik machen. Eine schwedische Band, die die Welt erobert. Vier Menschen, die ganz unterschiedliche Hintergründe mitbringen und auch auf unterschiedliche Weise mit dem Ruhm fertig werden. Und dann natürlich die Songs: Waterloo, SOS, The Winner takes it all… Diese Geschichte – rund 30 Jahre danach: Stoff für ein wahres Epos, dachte sich Carl Magnus Palm.
Auf über 600 Seiten lässt er die unglaubliche Erfolgsstory von Abba Revue passieren. Und da gibt es tatsächlich viel zu erzählen. Vieles, das man nicht über die Band weiß. Auch viel persönliche Tragik.
Am spannendsten ist die Geschichte der Band, die natürlich von den Menschen nicht zu trennen ist. Wie viel Energie, wie viel Einsatz (auch des legendären Abba-Managers Stig Anderson) es bedurfte, um diese Band tatsächlich zu Weltstars zu machen, ahnt man nicht. Denn offensichtlich reicht(e) es als Schweden nicht aus, einfach nur gute Songs zu schreiben, da musste schon eine geballte Portion Ehrgeiz dazukommen. Allein schon, um den technischen Vorsprung der Engländer und Amerikaner wettzumachen.
Wie die Abba-Männer (und ihr wichtigster Studiotechniker) sich bemühen, die Aufnahmetricks eines Phil Spector nachzuahmen, gehört zu den spannendsten Details der Abba-Story.
Aber auch die Freundschaft von Björn und Benny: eine schwedische Ausgabe von Lennon/McCartney, nur weniger spannungsgeladen und bis heute andauernd. Hätten sich die beiden Musikbesessenen nicht getroffen, es hätte Abba wohl so nie gegeben.
Palm erzählt auch die wichtige Geschichte vor Abba, die man kennen muss, um den Erfolg von Abba richtig einschätzen zu können: denn bis auf Frida (die „nur“ Achtungserfolge vorweisen konnte) waren alle Abbas auch vorher schon Stars in Schweden. Björn und Agnetha kann man getrost als Teenager-Stars beschreiben. Alle vier hatten sich der Musik mit Haut und Haaren verschrieben. Agnetha zum Beispiel schrieb viele ihrer Songs als Solo-Künstlerin selbst (vor allem in jungen Jahren, aber auch in der Post-Abba-Zeit wieder).
Das alles reichte ihnen aber nicht, vor allem den Männern nicht. Sie ahnten, wie kongenial sie als Team arbeiten würden, und mit viel Mühe erkämpften sie sich die Zeit, miteinander zu komponieren. Die Frauen wuchsen eher zufällig in das Projekt hinein, wurden dann aber zum Markenzeichen.
Der mehrfache Anlauf zum Grand Prix, das Bewusstsein, eine perfekte Einheit zu bilden (das viel später kam, als man denkt: es schien, als sei allen vieren erst mit „Waterloo“ aufgegangen, dass das eigentliche Provisorium Abba der Schlüssel zum Erfolg war), das beständige Ringen, ja Kämpfen um die Weltkarriere und musikalische Weiterentwicklung, die Verachtung durch das linksgerichtete schwedische Musik-Establishment… Nach der Lektüre von „Licht und Schatten“ fällt viel Märchenhaftes vom Abba-Mythos ab, denn das Buch macht klar, wie zermürbend und kräftezehrend der Weg zum Pop-Olymp war. Die fröhliche Clique in den quietschbunten Seventies-Kostümen war sich ihrer Vormachtsstellung eigentlich nie gewiss. In den Abba-Jahren dürfte sie ihren Erfolg nur selten wirklich genossen haben.
Das Buch erzählt akribisch genau den musikalischen Lebenslauf von Abba. Nicht zufällig ist der Autor auch derselbe der „Abba Recording-Sessions“… Leider sind die Stories hinter den Songs selbst nicht so schillernd wie etwa bei den Beatles. Trotzdem ist es faszinierend zu erfahren, wie Songs wie „Ring Ring“ oder „Chiquitita“ wuchsen. Dass der Arbeitstitel von „Dancing Queen“ „Boogaloo“ war. Und dass zum Beispiel das grandiose „Summer Night City“ (persönlicher Favorit der Autorin, räusper) Abba selbst als mehr oder weniger verunglückt galt. Eigentlich ist „Licht und Schatten“ ein Buch, dass sich angehende Popstars sorgfältig durchlesen sollten. Danach wird ihr Berufswunsch ein anderer sein.
Vielleicht auch, weil sie vor allem das Schicksal Agnethas anrühren wird. Der Star der Band ist auch das Abba-Mitglied, das am meisten unter dem Fanrummel zu leiden hatte, nach der Trennung von Björn (fast) allein mit zwei Kindern dastand und mehr denn je zum Objekt der Klatschreporter wurde. Ihr persönlicher Weg vom selbstbewussten Mädchen, das vom Leben als Singer-Songwriterin träumte und später eine Liaison mit einem durchgeknallten Agnetha-Fan einging, ist das Traurigste am ganzen Buch.
Bei aller persönlicher Tragik wäre es aber nicht nötig gewesen, jede einzelne Halsentzündung der Abba-Mitglieder zu erwähnen, immer wieder aufs Neue den mütterlichen Trennungsschmerz Agnethas zu beschreiben und gebetsmühlenartig zu wiederholen, wie sehr die Abbas den Rummel leid waren. Das Buch ist gut 300 Seiten zu lang und stellenweise peinlich devot. Carl Magnus Palm ist Abba-Fan, vertraut aber offenbar so wenig den Fakten ihrer Karriere, dass er sie manisch vor Kritikern in Schutz nehmen und verteidigen muss. Auch das macht den Text zu lang. „Licht und Schatten“ – besser kann man ihn nicht beschreiben.
Carl Magnus Palm: Licht und Schatten
Abba - Die wahre Geschichte
(Bosworth Edition)