So wie Herr Rossi müsste man leben. Sicheren Büro-Job, dazu einen treu sorgenden Hund und wann immer möglich: Abtauchen in exotische Welten. Abenteuer erleben in poppigen Farbräuschen und psychedelischen Paralleluniversen, mit rasanten Actionszenen, surrealen Mini-Opern, steppenden Tierballetten, betrunkenen Raketen, geklonten Prinzessinnen, rasierten Dschungeltieren und – Entschuldigung. Es ging mit mir durch.
Aber so fühlt man sich nach rund 120 Minuten Signor Rossi! Darunter vier Fernseh-Folgen (auf deutsch und italienisch) plus Mini-Episoden mit Rossi als Sportler, einem liebevollen Clip zum „Viva la felicita“-Remix von DePhazz, einem (leider unsychronisierten) Besuch bei Zeicher Bruno Bozzetto und zwei skurrile Kurzfilme (Herr Rossi kauft ein Auto und Herr Rossi auf Fotosafari). Unterschied zu den normalen Folgen: hier taucht Rossi in den kompletten Wahnsinn ab. Nicht mal die bunten Fluchtwelten und Maskeraden reichen mehr aus, um den kleinbürgerlichen Alltag zu kompensieren. Nein, hier wird´s richtig böse, sogar politisch unkorrekt (aber nur ein bisschen). Und Bozzettos pessimistischer Kommentar zur lebensfeindlichen Umgebung des modernen Menschen ist mit Händen zu greifen.
Denn so richtig weiß man das nie: soll man Rossi beneiden um seine Fantasie? Oder bemitleiden, weil er sich eben nur dort verwirklichen kann? Weil er nur in seinen Träumen erfolgreich und heldenhaft ist? Ach, weg mit den dummen Gedanken. Wer will, kann über die kuriosen Gags und Gimmicks lachen oder einfach mit Rossi auf einen Trip gehen.
Bozzetto lässt den Freiheiten des Toon-Genres vollen Lauf, übertrifft sich von Minute zu Minute selbst in irrealen Steigerungen. Und wenn man längst vergessen hat, wie alles begonnen hat – Zack, ist die Geschichte abrupt zu Ende und Rossi zurück in seiner winzigen Stadtwohnung mit dem schimpfenden Hund. Denn wirklich glücklich ist diese Ehe Mann-Hund auch nicht. Oder?
Tja, Herr Rossi ist ein schillerndes Phänomen. Man muss ihn einfach lieben. Und es geht einem auch besser, nachdem man ihn getroffen hat. Außerdem staunt man über das, was er alles vorwegnahm: das temporeiche Anything Goes der MTV-Ästhetik, Flower Power-Gesamtkunstwerke wie den „Yellow Submarine“-Film und natürlich Wallace and Gromit. Deren Beziehung und Welt funktioniert nach den gleichen übersinnlichen Mechanismen.
Und – nicht vergessen, die italienische Originalversion des Titelsongs anzuhören. Die ist nämlich viel peppiger und swingender als die deutsche Version! Anschauen und Freuen!
Signor Rossi 2
Herr Rossi träumt
Monitorpop
VÖ: 11.11.2003