Live: Stan Webb´s Chicken Shack

Bielefeld, Elfenbein. 20. 11. 2003

So mancher Fan kennt seinen Stan Webb als launig-verschmitzten Berserker, der zu sarkastisch hingemurmelten Bonmots durch seine bewährten Hardrocker und Blues-Boogies tobt, ohne sich um Dezibel-Detonationen und Sensibilitäten groß zu scheren.

„Das war heute mehr was zum Zuhören“, tönte es dagegen zum Ende der ungewöhnlich langen Bielefelder Show aus dem Auditorium. Und in der Tat: Der verrückte Hühnerstall-Haudegen gab sich etwas introvertierter – kaum Ansagen, wenig Grimassen, keine Programm -Überraschungen.

Schon bei „Tell Me“ war allerdings klar geworden, wohin die Konzentration Stans kanalisiert wurde: Plädoyers und Storylines wurden diesmal mit besonders inniglicher Tiefe aus der Webb-Seele herausgebellt – auf dem soliden Drum & Bass-Teppich von Mick Jones und Jim Rudge. Seine eigene Gitarre rührt der Chicken-Chief bei seinen Textpassagen kaum an, wird stattdessen unterstützt von Gary Davies´ präziser Rhythmusarbeit. Nach spätestens zwei Strophen aber widmet sich der Veteran wie auf Autopilot seiner unschwer auszumachenden Lieblingsbeschäftigung: seine Gibson Les Paul mit Inbrunst, Verve, vorgeblicher Verachtung, kreativer Wut und auch unverhohlen gelebter Zärtlichkeit zu traktieren.

So gespürt bei „The Thrill Is Gone“, tausend Mal gehört von verchiedensten Chicken-Shack-Ensembles, nie dabei gelangweilt – eben wegen Webbs Brettkünsten, die dem Charme und der Routine B.B. Kings ein Extramaß an Besessenheit hinzu fügen: wer will das analysieren, wenn es so intensiv genossen werden kann? Mit „Reconsider Baby“ huldigt Stan einem weiteren Bluesopa, Lowell Fulsom. Hier scheint der Song einfach nur das Gerüst, auf dem der „Jungmeister“ (soll heißen jünger als Fulsom!) sein Quartett und seine Gibson Feuer legen lässt.

Webbs lange bewährte Ballade, „Sweetest Little Thing“, erfährt heute eine ungewöhnlich ausführliche und liebevolle Bearbeitung, auch die „C.S. Opera“ wirkt an keiner Stelle langatmig – zu ausgekocht und überzeugend erfühlt legt Stan die Soli wiederum an. „I Would Rather Go Blind“ kann in dieser seit Jahren perfektionierten Fassung nur als majestätisch bezeichnet werden, längst ist Stan mit diesem Etta-James-Standard aus dem Schatten seiner Chicken-Shack-Folge-1-Kollegin Christine Perfect-McVie heraus getreten.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt fiel dem Zuhörer ein, dass die Tournee 2003 eigentlich unter dem Motto von Chicken Shacks vor 31 Jahren veröffentlichtem Album IMAGINATION LADY steht. Die ersten, in good old Germany seit jeher geliebten Licks von „Poor Boy“ wären aber auch ohne diesen Slogan willkommen aufgenommen worden. Für Stan bleibt es die ´Calling Card´ beim hiesigen Publikum. War aus Bandkreisen durchgesichert, dass ein halbes Dutzend Imagination-Lady-Nummern für diese Tour eingeprobt worden waren, so musste hier eine weitere Kostprobe genügen: die legendäre „Daughter Of The Hillside“. Sei´s drum, zu Hause lässt sich diese LP ebenso genießen wie ein Dutzend hochkarätiger weiterer. Wenn Stan The Man auf der Bühne in seinen bewährten Set verfällt, man hört ihm eben liebend gerne dabei zu. Einem Original, das keine Nachfolger finden wird.

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