„Ich bin der Bandleader“, sagt der alte Mann zu den jungen, verlegenen Dingern, die sich den Soundtrack anschauen. Der was? „Der Bandleader. Der, der vorne rumhampelt.“ Schrecksekunde bei den Mädels. Jetzt begreifen sie erst, wer da zu ihren Sitzen gekommen ist.
Da dürften sie die einzigen sein, die so lange brauchen. Nicht nur in dem Film von Thomas Schadt. Schließlich ist James Last so bekannt wie ein bunter Hund. Und da sein Konterfei nun nicht gerade selten auf seinen Platten abgebildet war, dürften ihn auf der Straße auch mehr Menschen erkennen als den Bundeskanzler.
Und so nah, wie James Last die Besucher an seine Konzertproben kommen lässt, so nah kommt ihm auch der Filmemacher. Scheinbar uneitel und unprätentiös lässt sich der (damals) Siebzigjährige beim Styling in der Garderobe filmen. Wie er sich, mit nacktem Oberkörper, die Haare sprayt. Und in die Weste schlüpft.
Wie er mit einem Schlagzeuger schimpft, der halbherzig vorbereitet auf der Bühne – in den Augen von James Last – nicht genug Einsatz bringt. Wie er sich dem Tourveranstalter widersetzt, der gern pünktlich um 23 Uhr fertig wäre und zwei Nummern aus dem Programm gestrichen haben will. Und wie er bei einer Ehrung in einer Kirche vor lauter Rührung keine Dankesworte findet.
James Last, scheint es, hat nichts zu verbergen. Und einen kleinen Fluchtkreis. Sonst könnte er nicht so lange mit seiner Band im Tourbus, beim Golfen oder bei der Probe aushalten. Andererseits – ist er privat in Florida, arrangiert er stundenlang allein am Computer. Kontrastprogramm.
Der fleißige Arbeiter ist die eine Seite. Der Mann, der begierig in Clubs und Discos geht. Immer auf der Suche nach neuen Klängen, nach neuen Hits. Der Mann, der keine Hemmungen kennt, vor neuen Stilen wie Rap zum Beispiel. Oder vor Computern.
Aber die Fans sind die andere Seite. Im Film erzählt ein Engländer, wie er vor über 20 Jahren einen Plattenspieler kaufen wollte. Er fuhr extra nach London. Dort legte man in Geschäft zur Demonstration eine Platte auf. Der Mann kaufte beides: die Platte von James Last und den Plattenspieler. Seitdem ist er Fan.
Beides – Last und Fans – geht nicht ohne das Gegenstück. Man muss die Fans sehen, um zu verstehen, was den Erfolg von James Last ausmacht. Man muss James Last sehen, um zu verstehen, was ihn so unvergleichlich macht. Obwohl man nach dem Film ahnt, dass er doch ein bisschen eitler ist, als man dachte. Dass es vermutlich nicht viel Überredung kostete, ihn mit Konterfei auf die Cover zu bannen.
Spätestens dann, wenn er in einem Archiv-Ausschnitt erzählt, dass er dreimal in Folge Deutschlands Jazz-Bassist des Jahres war. Ich hätte noch Sekunden vorher gewettet, dass er es unterschlägt. Aber man darf nicht vergessen – was im Film nicht vorkommt – dass James Last auch viel Häme einstecken musste. Beleidigend war das schon mitunter, was aus der Kritiker- und Jazz-Ecke kam. Da verweist man schon mal gern auf seine Meriten.
Und allzu zimperlich darf jemand, der ein eigenes Orchester führt, ohnehin nicht sein. Weder als Chef. Noch als Öffentlichkeitsarbeiter. Schade, dass James Last in der Doku nicht untertitelt wurde. Was da im Schnellzugtempo aus dem Nuschelmund des Bremers rauskommt, könnte auch fließend Chinesisch sein. Für den Zuschauer macht das kaum einen Unterschied.
Und schade, dass der Film handwerklich recht unvirtuos zusammengestückelt ist. Bilder und Perspektiven sind nie besonders ansehnlich. Die Übergänge alles andere als raffiniert. Und wenn schon Archivmaterial, dann doch konsequent und die Geschichte des James Last epischer erzählend. Trotzdem fesseln die Einblicke in den Touralltag und in die Arrangeurskammer in Florida bis zur letzten Minute. Es muss schon was dran sein, an dem nuschelnden Mann mit dem Schnäuzer. Der am Merchandising-Tisch stehen bleibt und den Kopf darüber schüttelt, „was sich die Leute alles in die Wohnung stellen“. In diesem Fall: einen lebensgroßen Papp-Aufsteller von Last. Für 50 Mark. Wenn man´s ihnen anbietet…