Ännchen von Tharau bittet zum Tanz

28 swingende Volkslieder mit Chor und Orchester Hans Last

Ah, hier ist endlich mal ein Chor auf dem Cover erwähnt. Aber wer bitte ist Hans Last? Na, James Last natürlich. Vor der Operation. Bevor ihm die Ärzte einen Schnauzer, Koteletten und eine schulterlange Matte angetackert haben. Der Taktstock war schon vorher angewachsen. Und das lässige Wippen mit der Hand war auch mit starken Medikamenten nicht wegzukriegen.


Nun, Ännchen von Tharau sieht aber auch nicht ganz gebacken aus. Mit diesen Schuhen hat vielleicht Neil Armstrong den Mond betreten – aber tanzen kann man damit nicht. Das zeigt das Cover auch ganz deutlich. Sieht ein bisschen aus wie eine Jugendsünde von Claudia Schiffer. Der einzige, den Ännchen von Tharau mit diesen Bewegungen erfolgreich zum Tanz auffordert, dürfte ihr Pfleger sein. Der ist hier leider nicht mit drauf. Schade. Aber vermutlich auf allen anderen James Last-Covers…

Es bewahrheitet sich allerdings eines, was man erst gar nicht so ahnt: die James Last-Platten, wo man denkt, die sind sicher ganz grauenvoll, sind richtig okay. Zum Beispiel die „Sing mit“s. Andere, die man arglos auflegt – etwa die „Classics up to date“ – und schlimmer noch: die „Hammond a gogo“, wo man vor Freude lechzend davorsitzt, sind dagegen zum Davonlaufen.

Will sagen: keine Angst vor Ännchen von Tharau. Was anmutet wie die Mundorgel unter Folter, ist eine sehr stimmungsvolle, peppige Easy Listening-Platte. Gut, Trompeten sind hier erstmal nicht viele drauf. Schon gar nicht diese tollen Trompeten-auf-Acid. Eher kleine Querflöten, Jankowski-mäßig perlendes Piano und zarte Becken-Schläge. Für James Last-Verhältnisse ist das die „unplugged“-Version. Die Rolf-Zuckowski-Fassung. Hohe Chöre auf den Vokal „A“ flirren durch den Raum. Und unten erkennt man ganz deutlich etwas, das James Last bei Bert Kaempfert geklaut hat: den Knack-Bass. Ein Bass mit einigermaßen lockeren Saiten, der stark nachhallt und einen ganz saftigen Ton gibt. Die Flöten klingen mir auch sehr im Intervall einer Sekunde angeordnet. Das ist höchstens eine kleine Terz! Und auch damit wieder: sehr Kaempfert-like. So wie in „Afrikaan Beat“. Sei es drum.

Es dürfte grad so die Schwelle sein, wo James Last zu seinem eigenen Sound findet. Verglichen mit Kaempfert ist das auch schon sehr „Disco“. Und die Percussionisten tun unzweifelhaft Dinge, für die ihnen bei Kaempfert die Hände abgehackt worden wären. Für Volkslied-Fans dürfte diese Platte die Hölle gewesen sein. Das ist schon vergleichsweise stark verpoppt. Verglichen mit Ernst Neger ist das Free Jazz. Mit einem Wort: gelungen!