Capitol, Hannover, 16. Mai 2004.
Fazit: Sie Roque. Trotz widriger Umstände (Bayern ist nicht Meister und bangt um Tabellenplatz zwei, 1860 steht mit anderthalb Beinen schon in der zweiten Liga) lieferten Sportfreunde Stiller auf ihrer „Burli“-Frühjahrstour ein schönes Konzert in Hannover ab. Rockend, freundlich, zuverlässig.
Das Capitol – ein ehemaliges Kino, das jetzt als Konzertsaal rund 2.200 Menschen fasst (den Balkon gibt’s immer noch, wenn alle hüpfen, kann er furchterregend schwanken) – war schon Wochen vorher ausverkauft. Das lag ganz sicher auch an der angekündigten Vorband: Franz Ferdinand, die heiß gehandelte Kunsthochschulen-Combo aus Glasgow. Die kamen aber nicht. Ein Todesfall in der Familie eines der Musiker war Grund für die Absage der Schotten. Kurzfristig sprang die Münchner Band Campus ein. Schlechter Hallensound, aber gute Gruppe. Sollte man im Auge behalten.
Als nach relativ langer Umbaupause gegen Viertel nach neun endlich Peter, Flo und Rüde auf die Bühne kamen, war die Menge nicht mehr zu halten. Der Sound war halbwegs o.k., die Hits kamen Schlag auf Schlag. Da stört’s auch keinen der vielen eingefleischten Fans, wenn der Anfang eines Songs in die Hose geht, die Musiker das Stück abbrechen und einfach noch mal von vorn anfangen. Kunststück:. Wer sich so nett präsentiert wie die drei Sportfreunde aus München, hat die Sympathien auf seiner Seite – allerdings nicht immer alle. „Scheiß Abiturienten-Pop“ , lautete der Kommentar meines Begleiters.
Grundsätzlich stellt sich ja folgende Frage: Muss man die Musik und den Auftritt einer Band mögen, nur weil ihre Mitglieder von Grund auf sympathisch sind? Beim Wir sind Helden-Konzert an gleicher Stelle vor gut zwei Monaten machte ich die seltsame Erfahrung, dass die penetrante, hippieeske Nettigkeit von Judith Holofernes und Bandkollegen mit dermaßen auf den Keks ging, dass mich auch die Stücke, die ich eigentlich gut finde, live nicht mehr begeisterten. Gottlob sind die Sportfreunde von der ausgelassenen Kindergeburtstagsstimmung, die bei den Helden auf der Bühne herrschte, noch weit entfernt. Und anders als Judith Holofernes lässt Sänger Peter bei seinen Ansprachen ans Publikum noch genug Spielraum für Überlegungen, ob das denn wirklich alles so gemeint wie gesagt und nicht doch von feiner Ironie durchdrungen sei.
Relativ ironiefrei war allerdings Peters Look bei der ersten von drei Zugaben: Im Hannover-96-Trikot kam der bekennende Bayern-Fan auf die Bühne, nachdem er schon zu Konzertbeginn artig zum Klassenerhalt der hannoverschen Kicker gratuliert hatte. Ja mei, a bisserl mehr Reibung dürft’s scho sein – so wie damals Tocotronic, die beim Gig in Karlsruhe ihre Hass-Hymne aufs gemütliche und miefige Leben in deutschen Städten wie folgt ankündigten: „Das nächste Lied heißt ‚Freiburg’, aber es könnte auch ‚Karlsruhe’ heißen.“ Man kann’s nicht jedem recht machen. Man sollte es aber auch nicht.