Live: Lambchop/Diana Darby

Hannover, Pavillon, 22. August 2004.

Sie sind nichts weniger als das Aufregendste, was zurzeit auf deutschen Bühnen zu sehen ist. Das heißt: Zu sehen war. Lambchop, das Musiker-Kollektiv um Kurt Wagner aus dem amerikanischen Nashville, absolvierten im Kulturzentrum Pavillon in Hannover den letzten Gig ihrer Deutschlandtour in diesem Sommer. Und es war ein bemerkenswerter.

Dass Stille nicht gleich Stille ist, zeigt der direkte Vergleich des grandiosen, kaum in einer Schublade einzuordnenden Pop-Rock-Jazz-Country-Orchesters mit Diana Darby, die das Vorprogramm bestritt. Die Stille, die die zierliche Singer/Songwriterin mit ihrer Ein-Frau-Show verbreitet, wirkt beklemmend. Mit ätherischer Stimme zu melancholischen E-Gitarre-Klängen vorgetragene Kompositionen, die einen Blick auf innere Befindlichkeiten der Künstlerin zulassen, den man sich lieber ersparen würde. Eindimensionale Songs, ohne (Selbst-)Ironie, ohne Ausgang, ohne Hoffnung. Diana Darby weiß, wie man eine gute Melodie schreibt, schreckt aber nicht vor Akkord-Folgen zurück, die schon frühere Generationen nicht mehr ertragen konnten. Gut gemeint, aber nicht gut gemacht:

Welten entfernt dagegen die Interpretation von Intimität, die Lambchop in ihren Instrumentenkoffern mit sich tragen. Kurt Wagner, Sänger und Songwriter, hat für seine Verhältnisse eine abgespeckte Truppe mitgebracht. „Nur“ neun Musiker stehen/sitzen auf der Bühne. Anders als bei früheren Tourneen sind keine Streicher und mit dem gelegentlich von Deanna Varagona gespielten Bariton-Saxophon auch nur ein Blasinstrument dabei. Konzentration auf das Wesentliche, und bei Lambchop heißt das: sparsam gesetzte Gitarren-Akzente, das Piano (auf der Bühne steht ein echter Flügel), die Steel Guitar – und vor allem und über allem: Kurt Wagners gleichzeitig brüchige, schmeichelnde und Ehrfurcht gebietende Stimme, die einen Zuhörer nach der letzten Zugabe („Theöne“ vom 95-er Album „How I quit smoking“) mitten in die Stille des verklingenden letzten Akkordes hinein zum Zuruf „What a voice“ veranlasst. Recht hat der Mann!

Obwohl Wagner und sein Orchester gegen Ende des Sets und in den ersten Zugaben mächtig aufdrehen und zeigen, dass Lambchop gewaltig rocken können (bei etlichen Songs spielen nicht weniger als fünf Musiker Gitarren!), sind es doch die leisen Stellen, die charakteristisch für ein Lambchop-Konzert sind und dem Zuhörer die Tränen in die Augen treiben. Selten hat man acht Mann und eine Frau so filigran und doch so intensiv musizieren hören. Lambchop fügen der Stille neue, ungeahnte Dimensionen zu – um im nächsten Moment auszubrechen und einen Sound-Sturm zu entfachen, der seinesgleichen sucht. Und ob sie laut oder leise spielen, eine Sache ist immer klar, sei es bei den älteren Stücken oder den neuen Songs der beiden gleichzeitig veröffentlichten Alben „AwCmon“ und „NoYouCmon“ : Die Luft brennt, mehr Dichte ist nicht zu schaffen.

„Wir werden ohne den Begriff der Schönheit nicht auskommen“ zitiert das Info der Plattenfirma einen Satz von Bertolt Brecht. Auf Lambchop bezogen ist jeder Widerspruch zwecklos.

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