Nachruf auf Kevin Coyne

Der britische Songwriter und Maler stirbt 60jährig in Nürnberg.»No compromises« – das war augenscheinlich das Motto des schrulligen, dabei liebenswerten Multitalents, der schlichtweg stets machte, was er wollte. Zeit seines künstlerischen Lebens war er dem Blues mit all seinen Facetten verbunden, aber eben nicht nur. Coyne guckte immer über den Tellerrand, interessierte sich, was sonst so geht, was ihn berühren konnte, auch wenn es ihn letztlich nicht völlig (wie z. B. Punk) ansprach. Er war offen, Neuem wie Vergessenem – Hauptsache, im Vordergrund stand nicht seine kommerzielle Verwertbarkeit.

Coyne, 1944 im mittelenglischen Derby geboren, wächst in einfachen Verhältnissen auf und besucht schließlich die Kunsthochschule in Birmingham. Er jobbt als Therapeut mit Schwerpunkt Kunsterziehung in diversen Nervenheilanstalten, später als Sozialarbeiter in der Drogenszene. Parallel dazu versucht er sich als Musiker mit Psycho-Folk-Blues-Bands, u. a. dem Trio Siren. Coyne bleibt auch als Berufsmusiker, der er letztlich wurde, mittendrin im prallen, oft schwer erträglichen Leben. Was er bis dato erlebt hatte und weiter an Erfahrungen sammelt, fließt mehr oder minder unmittelbar in sein künstlerisches Schaffen ein: ob als Songwriter, Sänger, Maler oder Schriftsteller.

Als Musiker (spektakulär sein Gitarrenspiel mit dem Daumen!) fühlt er sich dem Blues und dem Rock’n’Roll verbunden; das Aufbegehrende, das Emotionale, das Leidenschaftliche in diesen Stilen hatten ihn ergriffen, und er versucht sehr expressiv und direkt in seinen Songs umzusetzen, was ihn in Kopf und Bauch umtreibt. In den 1970er Jahren schafft er für jene Zeit unglaubliche Alben, die mit viel Kritikerlob bedacht werden, aber kommerziell nicht viel bewegen…was ihn aber nicht weiter kümmert. Coyne bleibt sich auch in der Folgezeit treu. Legendär sein Auftritt beim »kleinen« WDR-Rockpalast im Januar 1979 (mit Partner Zoot Money): ein Wechselbad der Gefühle und Stimmungen, Energie pur, ein unvergesslicher Gig mit theatralischen Einlagen, nie bierernst, stets augenzwinkernd, nicht liebenswürdig, aber tief menschlich und versöhnlich.

Sein Lebenstempo kann Coyne schließlich nur mit Alkohol halten, bis ihn die Abhängigkeit aus der Bahn wirft und auch seine Ehe zerstört. Er siedelt 1985 nach Nürnberg über und versucht mit Erfolg einen Neuanfang. Coyne bleibt produktiv wie eh und je: malt wie ein Besessener, schreibt (Kinder-) Bücher, nimmt praktisch Jahr für Jahr ein Album auf und ist rundum auf Achse. Als Live-Musiker fühlt er sich am wohlsten, vor allem mit seinen Söhnen Robert und Eugene. Auf seine Gesundheit hat der »Kugelblitz des Rock’n’Blues« nicht sonderlich geachtet. Zu Beginn des neuen Jahrtausends macht ihm eine Lungenkrankheit (Fibrose) zunehmend das Leben schwer…juckt ihn aber nicht weiter. Immer nach vorn, egal, was kommt. Anfang Dezember steht die Präsentation der neuen CD »Live Rough And More« an. Diesmal wird er es nicht (mehr) schaffen. Coyne stirbt am 2. Dezember in seiner fränkischen Wahlheimat.

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