Manchmal kann man es auch übertreiben mit dem Extremlesen. Tiefe Depression hier, überbordende, kindliche (kindische?) Phantasie dort. Da tut es gut, wenn man was Drittes in petto hat, das die Extreme souverän auspendelt.
Zwei Vorabexemplare, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Friedrich Anis neuer Krimi „Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel“ – Jasper Ffordes neues Abenteuer mit Thursday Next „Im Brunnen der Manuskripte“.
Ani beginnt depressiv. Wird immer depressiver. Und noch depressiver. Schon neige ich dazu, das Buch rasch runterzulesen – aber dann, na, wer sagt’s denn! – kriegt Ani die Kurve. Und zwar, das muss man ihm hoch anrechnen, die formale Kurve. Nochmal rausgerissen das Ding, lesenswert, weil ein schönes Beispiel dafür, dass handwerkliches Können und Arbeiten an der Architektur eines Textes auch für einen deutschen Krimi kein Luxus sein müssen.
Und Fforde? „Der Fall Jane Eyre“ und „In einem anderen Buch“ habe ich nicht gelesen. Soll ein Nachfolger von Douglas Adams sein, aber „Im Brunnen der Manuskripte“ zeigt ihn eher als einen Nachfolger von Frau Rowling und ihrem in biblischen Ausmaßen erfolgreichen Harry Potter. Nix gegen eine wirklich gute Grundidee (die, dass die Menschen Bücher sehr ernst nehmen) – aber nee, mir ist das too much fantasy und außerdem sollte man wohl die beiden Vorgänger kennen, um wirklich alles zu verstehen. Okay, ich hab erst ein Viertel des Buches hinter mir, vielleicht wird’s ja noch, siehe Ani, eine Überraschung.
Da trifft es sich gut, dass man mir die Neuauflage der Taschenbuchausgabe von „Lost In Music“ zugeschickt hat, die Poplebensbeichte von Giles Smith, ehedem bei den Cleaners From Venus, dann, weil es zum Popstar nicht gereicht hat (von diesem „Scheitern“ handelt das Buch), Journalist und Schriftsteller.
1995 in England erschienen, fand „Lost In Music“ bereits 2002 seinen Weg zum deutschsprachigen Leser. Was indes nicht verhinderte, dass „Lost In Music“ flugs als „in der Tradition Nick Hornbys“ wohlwollend aufgenommen und damit auch automatisch diskreditiert wurde.
Nein, Freunde. Zwischen „High Fidelity„- und „Lost In Music“-Erstveröffentlichung liegen nur Tage, beide Werke sind also unabhängig voneinander entstanden. Ich mag zwar „High Fidelity“, aber „Lost In Music“ dürfte mir noch sympathischer werden. Die Erfahrungen Smiths sind einfach näher an meinen eigenen (ja, auch ich träumte einmal von zertrümmerten Fernsehern in Hotels, Groupies und einer Session mit Steely Dan, bei der Joni Mitchell die backvocals übernimmt).
So. Den Ani hab ich glücklich hinter mir. Der Smith liest sich sehr vergnüglich wie von selbst. Und der Fforde plätschert halt so mit, bis er irgendwann versiegt.