(Ein Klassiker noch einmal gelesen. Überholt oder aktuell? Und was die Originalausgabe der Übersetzung voraus hat.)
„The Spy who came in from the cold“, das Verb im Imperfekt, und anders als im Titel der deutschen Übersetzung („Der Spion der aus der Kälte kam“), im englischen Original mit der Betonung auf dem kleinen Wort „in“: Der kalte Krieg und die Gefühlskälte, mit der die Agenten an der „Front“ umgehen müssen. Schließlich erwarten die Geheimdienste nicht nur Ergebnisse, sondern auch absolute Verschwiegenheit. Ein vom Gegner enttarnter Agent, der stirbt, ist da allemal eine gute Lösung.
Leamas, die Hauptperson im Buch von John Le Carré, hat das selber erlebt. Er war der Leiter des Büros des englischen Geheimdienstes in Berlin. Mehr durch Glück als eigene Leistung hatte er einen sehr produktiven Agentenring in der damaligen DDR aufgebaut. Dieser wurde ihm dann innerhalb kurzer Zeit von einem neuen Mann im Sicherheitsdienst der DDR, Mundt, zerstört. Am Ende stand Leamas am Checkpoint Charly, wartete auf seinen letzten und wichtigsten Mann und hoffte, als dieser kurz vor dem Übertritt erwischt wurde, dass er tot sein möge.
Wenn Agenten so kapital wie Leamas scheitern, kommen sie üblicherweise „ins Regal“. Control, der Leiter des britischen Geheimdienstes hat jedoch andere Ideen und entwickelt gemeinsam mit Georg Smiley, der Hauptperson vieler weiterer Bücher Le Carrés, eine Strategie, um das „ostdeutsche Problem“ in den Griff zu kriegen. Hiervon befeuert, persönlich verletzt und zornig auf Mundt, macht sich Leamas auf den Weg, seinen Gegner zu bekämpfen.
Da Agenten weniger mit Waffen kämpfen, als mit der Manipulation von Personen, mit wahren und falschen Informationen, entwickelt sich eine Geschichte des Versuches eines Geheimdienstes einen anderen, oder einzelne Mitglieder dessen, mit Informationen zu verführen. Am Ende muss Leamas erkennen, dass er in der Tat ein Teil der Strategie des englischen Geheimdienstes war.
Das 1963 erschienene „The Spy who came in from the cold“ ist einer der großen Klassiker des Genres. Und heutzutage noch sehr gut zu lesen. Man kann erkennen, welchen großen Vorsprung Spionageromanschreiber zu jener Zeit hatten. Sie haben schon früh schriftstellerisches Handwerkszeug benutzt, welches im klassischen Krimibereich erst viel später Verwendung fand. Die Grenzen zwischen „Gut“ und „Böse“ sind natürlich verwischt, wenn Agenten umgedreht werden oder scheinbar gegnerische Agenten für die eigene Seite arbeiten. Le Carré schreibt mit großer Eleganz und arbeitet, da „Gut“ und „Böse“ so verquer stehen, seine Personen glaubwürdig heraus. Die Bücher Le Carrés und so auch dieses, zeichnen sich häufig dadurch aus, dass technische Details, wie z.B. die Zugangsberechtigung zu Bankkonten oder wer wann welche Akten einsehen konnte, deren wesentliche Angelpunkte sind. So stellt sich dann schlussendlich die Frage, wo der Spion, aus der Kälte kommend, landet und am Ende ist es dann eine Geschichte – wie so meist – über die „wahren Werte“, Ehre und Gewissen. Wie Le Carré diese Geschichte erzählt, ist außergewöhnlich spannend und überraschend und verdient noch immer unser besonderes Interesse.
Leser des englischsprachigen Originals haben den Vorteil, sich nicht den wechselnden Übersetzungsmoden unterwerfen zu müssen, die dazu führen, dass ältere Bücher, dem modernen Sprachverständnis angepasst, erneut übersetzt werden. Da entsteht dann gelegentlich die Frage, wer denn das Werk für den gegenwärtigen Sprachgebrauch des englischsprachigen Lesers überträgt.
John Le Carré: The spy who came in from the cold. Sceptre 1999, 224 Seiten, 13,50 € (deutsch: John Le Carré: Der Spion der aus der Kälte kam. List 2003, 256 Seiten, 7,95 €)