John Le Carré: Smiley’s People

Smiley, über 30 Jahre die immer wiederkehrende Figur aus Le Carrés Büchern, kommt einfach nicht los von Karla. Dieser scheint sein Schicksal zu sein: Freundschaften, den britischen Geheimdienst, seine Arbeit, seine Ehe – alles hat Karla kaputt gemacht. Und wieder einmal ist Smiley unterwegs und verfolgt Karla und seinen unermüdlich in Großbritannien wandelnden Geist. Das vorliegende, 1980 erschienene Buch „Smiley´s People“ ist der dritte und letzte Band der Trilogie „Karlas Quest“, welche das Ringen zwischen Smiley, zeitweise Chef des britischen Geheimdienstes, und Karla, Leiter einer Abteilung des russischen Dienstes, beschreibt.

Im ersten Band, „Tinker, Tailor, Soldier, Spy“ enttarnt Smiley einen, von Kala über 20 Jahre gepflegten Maulwurf, der bis in den Führungszirkel des britischen Geheimdienstes aufstieg. Verrat überall wo Smiley hinsieht, im Geheimdienst und privat. Im Folgebuch, „A honourable schoolboy“ versucht Smiley, nun selber Chef des Geheimdiensts, den zerschlagenen Dienst wieder aufzurichten und initiiert eine Aktion gegen Karlas Mitarbeiter in Hongkong – am Ende wird Smiley aussortiert und ins „Regal“ gestellt.

Mehrere Jahre später, „Smiley´s People“. Es beginnt wie ein Whodunit. Mitten in der Nacht. Smiley, der sich mittlerweile hauptsächlich mit deutscher Lyrik beschäftigt, erhält einen Anruf. Die Leiche eines früheren russischen Generals und Agenten des Geheimdienstes wurde in einem Londoner Park gefunden. Kurz vor seinem Tod hatte er versucht, aus der Versenkung, in die ihn der Dienst geschickt hatte, nicht wissend, dass auch Smiley mittlerweile dort verschwunden ist, Kontakt mit diesem aufzunehmen. Smiley rekonstruiert die letzten Wege des Generals im Park und findet eine Spur. Eine Spur die ihn hinführt zu alten Mitarbeitern und Agenten und zum großen Geheimnis des Generals; eine Spur, die ihn letztendlich ganz nah an Karla bringt.

Und während Smiley dieser Spur folgt, kämpft er mit Karlas Dämonen, die ihn immer noch verfolgen: Seine kaputte Ehe… sein vergeblicher Versuch vor 20 Jahren, Karla zum Überlaufen zu bewegen… sein Leben. Und er empfindet Schuld, dass der General und seine Leute, wenn auch gegen seinem Rat, vom Geheimdienst fallen gelassen wurden. Und überhaupt. Sein Geheimdienst, ein Schatten seiner selbst, von der neuen Labourregierung weiter geknebelt, will nichts mit dem Fall zu tun haben, freute sich aber, sollte Smiley Ergebnisse erzielen. Über weite Strecken ist es ist ein Roman ohne Hast; wie auch… die Protagonisten sind körperlich alt: Smiley kommt aus der Puste, wenn er wenige Treppenstufen steigt. Conny, seine frühere Mitarbeiterin, die alle wichtigen Informationen im Kopf hat, kann nicht einmal alleine vom Sessel aufstehen und stirbt fast in seiner Gegenwart an einem Anfall – und auch Karla wirkt müde. Smileys frühere Vertraute sind alle aus dem Dienst ausgeschieden. Zum Ende des Buches hin hat es etwas rührend Komisches, wenn Smiley seine Truppen sammelt, und diese Ehemaligen, Aussortierten sich einen russischen Boten verknöpfen und Informationen erpressen.

Die Trilogie „Karlas Quest“ ist für mich eines der Großereignisse des Genres – immer noch. Und „Smiley’s people“ ein würdiger Abschluss. Es besitzt nicht die Komplexität von „Tinker, Tailor, Soldier, Spy“, aber sehr große erzählerische Tiefe; wie kaum ein Zweiter kann Le Carre die Lebensgeschichten seiner Protagonisten erzählen; und wie Le Carré Spannung erzeugt, aus Kleinigkeiten, so scheinbar nebenbei … ich sehe direkt die Schamesröte in den Gesichtern der „Cliffhanger -Großmeister“ der Gegenwart.

Letztlich ist es ein tragisch wehmütiges Buch. Zum einen ganz allgemein, weil der Verfall des Geheimdienstes ja nur den Verlust der Bedeutung Großbritanniens widerspiegelt. Statt eigener Größe die Anlehnung an den atlantischen Cousin. Zum anderen aber auch ganz persönlich, denn Smiley ist von Anfang an ein Besiegter und das einzige was er erreichen kann, ist, dass Karla, sein großer Gegner, auch geschlagen wird.

John Le Carré: Smiley's People. Hodder & Stoughton Ltd 2002. 384 Seiten, 8,65 €
(deutsch: "Agent in eigener Sache". List 2002, 8,95 €)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert