Summer Camp -7-

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Nach all der Theorie wollen wir jetzt etwas Leben in unser Camp bringen. Unser Erzähler soll eine der handelnden Personen sein, ein Mann, der sich erinnert, ein Mann, der schließlich mordet. Aber warum?

Der Kern der Geschichte
(liegt natürlich in der Vergangenheit; ist tragisch; wird vom Erzähler sukzessive freigelegt)

20 Jahre ist es jetzt her, dass in dem mittelgroßen und –prächtigen Ort, zu dem der Bahnhof gehört, ein Verbrechen geschah (Zwischenbemerkung, nur für die Galerie, d.h. für mein kurzes Gedächtnis: Vielleicht sind in diesem Ort noch weitere Verbrechen geschehen, die man einbauen könnte? Mal sehen.), wie man es sonst nur in der Zeitung liest. Eine Frau hat ihre Familie ausgelöscht: Mann, zwei Kinder – nein, nicht ganz ausgelöscht, denn das dritte Kind, ein Sohn, gerade 14, hat schwerverletzt überlebt.

Was war passiert? Mutmaßungen. Die nüchtern-realistischste: Der Mann wollte sich von seiner Frau trennen, mit der Geliebten zusammenziehen. Folge: Kurzschlussreaktion. Ein Revolver, viele Schüsse, drei Tote, ein Schwerverletzter – und dann setzt sich die Frau das Ding an die Schläfe; aus.

Der überlebende Sohn kommt zu Verwandten in einer anderen Stadt, aber als er volljährig ist, kehrt er zurück. Wohnt im Haus, das das Verbrechen gesehen hat, und der Sohn sieht das Verbrechen fortan jeden Tag, eine unsterbliche, immer präsente Vergangenheit. Dass man da die Kurve nicht kriegt, liegt auf der Hand. Schulisch und beruflich versagt der Junge. Gottlob war man halbwegs wohlhabend gewesen, das hinterlassene Vermögen lässt sich prima verzehren. Ein Außenseiter, stets misstrauisch, nicht gerne in Gesellschaft, weil die ja über einen reden, über das, was passiert ist, weil die einen auch fragen, warum das alles passieren musste und: wer die Freundin des Vaters war, die an allem Schuld hat. So denkt er jedenfalls.

Aber er weiß keine Antwort. Er hat die Frau einmal beobachtet, wie sie sich mit dem Vater getroffen hat, und das Gesicht hat er nie vergessen, er hat es aber leider auch nicht wiedergesehen. Bis heute abend. Heute sieht er sie. Sie sitzt unter den Wartenden im Häuschen am Bahnhof.

Dieser Kern ist wirklich nur der Kern, die Zusammenfassung einer Story, die wie Hintergrundrauschens stets „da“ sein wird. Er sollte aber genügen, die ersten wichtigen Überlegungen hinsichtlich der formalen Vorgehensweise einerseits und der Personenzeichnung andererseits anstellen zu können. Wenn wir unseren Erzähler mit diesem Hintergrund in die Geschichte einführen, liegt es nahe, ihn die Geschichte als eine Art inneren Monolog sukzessive reportieren zu lassen, etwas, das verhältnismäßig sachlich-erinnernd beginnt und dann, auch am Sprachduktus sollte man’s merken, immer weiter zerfällt, subjektiver wird, das heißt auch: grammatisch schlampiger, mit Gedankensprüngen, Assoziationen usw.

Und: Wir wollen einen Krimi schreiben, keinen psychologischen Roman, obwohl ein Krimi natürlich auch psychologischer Roman sein kann. Natürlich spräche nichts dagegen, dem Publikum hinsichtlich des Täters von Anfang an reinen Wein einzuschenken. Ich habe aber das unbestimmte Gefühl, mir damit eine reizvolle Ebene zu verbauen. Deshalb gibt es zwei Pärchen in diesem Roman, von denen jenes rein äußerlich zur Konstellation Erzähler – Freundin des Vaters passen könnte, also zwei etwa 35jährige Männer und zwei etwa 50jährige Frauen. Die fünfte Person ist eine jüngere Frau, so Mitte, Ende 20 vielleicht.

Das mit dem zweiten oder „anderen“ Verbrechen könnte auch das zweit oder „andere“ Pärchen betreffen – hier möchte ich allerdings warten, bis die theoretischen Überlegungen abgeschlossen sind. So mancher Krimi ist schon an einem Zuviel des Guten gescheitert.

So. Das klingt alles irgendwie vielversprechend, ist aber bislang weder ein vernünftig elaboriertes Konzept noch gar ein guter Roman. Beim nächsten Mal wollen wir uns die Dynamik zwischen den Personen etwas genauer betrachten und versuchen, erste Spannungsbögen als handlungstragende Elemente zu konstruieren.

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