Hard-Fi: Stars Of CCTV

Was tun, wenn man in Staines, im Westen Londons gelegen, groß wird, wo außer Ali G. kein Prominenter herkommt? Wo selbst die Infrastruktur keine vernünftigen Alternativen zu bieten hat:„Hier gibt’s keinen Plattenladen, keinen Klamottenladen, keinen Club, keinen Nachtbus, keine Spätzug – gar nix. Wenn du abends in Central London warst, musst du mit einem Taxi zurück. Das kostet 80 Pfund“, jammern die Jungs von Hard-Fi. Da braucht man sie auch gar nicht zu fragen, warum sie sich mit beschissen bezahlten Jobs durchschlagen mussten und teilweise auf Stützte angewiesen waren. Immerhin hatten sie die glorreiche Idee, eine Band zu gründen und mit der ihren Idolen The Clash, Dexy’s Mignight Runners, Curtis Mayfield, Lee „Scratch“ Perry, den Rolling Stones und den Happy Mondays nachzueifern.

Bis es so weit war, musste jeder der Vier seine eigene Lebenserfahrungen sammeln. Sänger Richard Archer versuchte sich vor Jahren in einer Band namens Contempo, was aber ein zum Scheitern verdammter Versuch war. Die Frustration schlug sich gleich in seinen neuen Songideen nieder. Anfang 2002 war schließlich die Geburtstunde von Hard-Fi. Archer hatte über den ehemaligen Produzenten von Contempo den Schlagzeuger Steve Kemp kennen gelernt. Gitarrist Ross Phillips kannte er aus einem Hi-Fi-Laden, den Richard immer dann aufsuchte, wenn er eines seiner Demotapes auf einer sehr guten Anlage Probe hören wollte. Als Letzter stieß Kai Stephens (Bass) dazu, der zuvor bei der Insektenvernichtungsfirma „Rent-O-Kill“ gearbeitet hatte, doch „vom dauernden Sterben“ frustriert war. Eine sehr bizarre Entstehungsgeschichte, nicht wahr? Das war aber längst nicht alles.

Hard-Fi nisteten sich in einer ehemaligen Taxizentrale in Staines ein, die sie zu einem Studio beziehungsweise Proberaum umfunktionierten. Dort nahmen sie unter der Aufsicht von Wolsey White erste Demos und auch später das nun vorliegende Debütalbum ‚Stars Of CCTV‘ auf. Die Produktionskosten waren nicht allzu hoch. Die für ihre erste Single, das großartige „Cash Machine“, sollen sich auf schlappe 300 britische Pfund belaufen haben – was der Raummiete der Taxizentrale entspricht. Zufrieden waren sie mit den Aufnahmen immer erst, wenn sie den BMW-Test bestanden hatten. Archer erklärt den wie folgt: „Wir schnappten uns dem BMW unseren Produzenten, fuhren um die Blocks und hörten uns währenddessen die Songs an. Letztendlich werden sich die meisten Leute die Songs eh im Auto oder im Bett anhören. Wenn sie sich im Auto gut anhören, dann kann man also nicht falsch liegen“. Nicht minder bizarr, oder?

Hard-Fi ernten derzeit auf der Insel viel Lob. Die Presse spricht schon vom nächsten großen Ding. Die Jungs aus Staines haben ihre Hausaufgaben wirklich gut gemacht. Moderner Dancepunk trifft auf alte Heroen (siehe oben) und viel Irrwitz (etwa einem schrägen Kinderchor in „Tied Up Too Tight“). Schon jetzt platzen Hard-Fi vor Selbstbewusstsein. Archer sagte unlängst: „Ich will Erfolg haben. Wir stehen nicht in Konkurrenz mit The Killers und Razorlight – im Gegenteil, ich finde sie sehr cool. Viel eher stehen wir in Konkurrenz mit Eminem. Wir wollen Platten in den Staaten verkaufen. Und das viele.“ Wenn man ihn danach fragt, woher es kommt, dass Ska, Rock und Punk zu verschiedenen Teilen in sein Songwriting einfließen, dann sagt er: „Wann immer ich an große englische Bands denke – die Stones, The Clash, The Specials oder Massive Attack – dann sind das nie nur Rockbands. Wir sind zwar eine Rock’n’Roll-Band, aber wir hören auch HipHop, House, Dub und Reggae, und wir haben keine Angst, das einfließen zu lassen. Alles was du brauchst, ist Kreativität. Früher nahm man einfach eine Gitarre in die Hand und machte Punk, heute brauchst du nur einen Computer und ein paar Instrumente. Du machst dein Artwork, brennst die CDs und bringst das alles unter die Leute. Auch wenn du begrenzte Mittel hast: Wenn du kreativ bist, hast du alle Möglichkeiten.“ Das könnte man das Motto der Band nennen: Kreativität versetzt Berge.

Zu was sie fähig sind, kann man sich auf ihrer aktuellen Single „Cash Machine“ anhören. Ein großartiger Dub-Ska-Dancepunk-Song. So als hätten Bloc Party einen Song der Gorillaz gecovert. Dieses Lied schreit gerade nach „PARTY!“. Ein Ohrwurm mit Tanzqualität. Laut der britischen Zeitung „Guardian“ treffen hier The Clash auf Duran Duran und geben „eine der besten Singles des Jahres, und wahrscheinlich die beste, die je übers Pleitesein geschrieben wurde“ zum Besten. Denn in dem Song – mit der Kernzeile „There’s a hole in my pocket“ – geht es „grundsätzlich darum, pleite zu sein“, so Archer. „Diese Geschichte, dass ein Typ seine Freundin schwängert, was hier in der Gegend oft vorkommt. Und dann musst du eigentlich diese neue Stereoanlage haben oder den neuesten Kinderwagen, und irgendwie scheint nie Kohle reinzukommen. Wir sagen dazu aber, dass kein Geld zu haben nicht das Ende der Welt ist. Du kannst trotzdem was erreichen, wenn du es nur wirklich willst.

Hard-Fi: Stars Of CCTV
Warner
VÖ: 15.8.2005

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