Savinien Cyrano de Bergerac: Reise zum Mond und zur Sonne

Als Draufgänger mit spitzer Nase kennt man Savinien Cyrano de Bergerac. Ein perfekter Poet, der erkennen muss, dass alle Poesie nicht so viel zählt wie ein makelloses Gesicht. Sehr traurig. Und sehr falsch. Im wirklichen Leben war dieser Cyrano de Bergerac ein Pionier der Science Fiction, aber auch hier ohne happy end.

„Reise zum Mond und zur Sonne“, so sind die beiden, in ihrer Handlung zusammenhängenden Romane betitelt, die nun endlich in deutscher Sprache und einer anerkennenswert präzisen Rekonstruktion vorliegen. Es sind nicht allein die schrulligen Erfindungen und Einrichtungen, die beide Romane als Vorläufer der Science Fiction ausweisen. Walkman, Essen, von dem man durch Riechen satt wird und Verse als Währung – dieser Bergerac (1619 – 1655) war ein Erfinder par excellence, und wenn der Held mit Hilfe von Solarantrieb die Sonne erreicht, so hat diese Vision fast schon Jules-Verne-Format.

Nein, das allein ist es nicht, vielleicht sogar nur am Rande. „Die Reise zum Mond und zur Sonne“ zeigt vor allem auf, dass die ursprüngliche Science Fiction mit ihrer Schaffung fremder Welten als literarisches Mittel diente, den mannigfachen Fährnissen des Irdischen zu entgehen. Was im wirklichen Leben geeignet war, seinen Urheber als Häretiker, Hexer, Blasphemist und Hochverräter ins Visier der weltlichen und kirchlichen Mächte zu stellen, das ließ sich im exotischen Ambiente freier, weil phantastisch verklausuliert aussprechen. Und so sind Sonne und Mond Abbilder der Erde, mit all ihren Ideen, Borniertheiten, geschlossenen Weltbildern und kühnen Lebensentwürfen.

Und Bergerac nutzt seine Möglichkeiten. Er bietet uns eine Mischung aus dem aktuellen Stand des Wissens, Spekulationen und jener Freigeistigkeit, die ihn während seines gesamten Lebens zur Zielscheibe der Verfolger machte. Gnadenlos wird hier abgezogen: Gegen die griechische Philosophie, die Bibel, die Kirche, den Staat – immer unter dem Deckmäntelchen des Fremden, doch wer lesen konnte, erkannte die Absicht.

Neue Gedankengebäude entstehen, teils bizarr, teils überraschend modern, doch stets bleibt dieses Narrentheater auf der Erde verwurzelt und liefert uns das Bild einer Zeit, die reif war für Aufklärung und Vernunft. Das liest sich für uns Heutige bisweilen ungewohnt, und deshalb sind die zahlreichen, vom Übersetzer und Herausgeber Wolfgang Tschöke besorgten Anmerkungen hilfreiche Wegweiser durch ein faszinierendes Labyrinth vergangener Zeiten und zeitloser Borniertheiten.

Nicht Flucht in das spekulative Andere also hat Bergerac mit seinen Romanen im Sinn gehabt. Und wie sein mysteriöser Tod im Alter von nicht einmal 36 Jahren andeutet, wussten diejenigen, die gemeint waren, dass sie gemeint waren und reagierten mit ihren Mitteln. Ein nächtlicher Angriff, eine Verwundung, die wenig später zum Tod des Autors führt – Genaues weiß man nicht. Savinien Cyrano de Bergerac bleibt jedenfalls als kühner Utopist und genauer Analytiker seiner Umwelt unsterblich – mindestens genau so wie als Held in Mantel-und-Degen-Filmen. Allen zu empfehlen, für die Science Fiction mehr sein soll als bloßer Eskapismus.

Savinien Cyrano de Bergerac: Reise zum Mond und zur Sonne. Eichborn 2005, 360 Seiten, 22,90 €

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