Sommerkrimi -6-

Italien dort, wo es stirbt. Ein kleiner Ort im Hinterland der Adria, ein paar Zwanzig Menschen, viele schon älter, eine Gemeinschaft, die vergangenen Zeiten nachtrauert und von den gegenwärtigen vergessen wurde. Und dann ist alles anders: In diesem drückend heißen Sommer wird ein Mann von einer Viper gebissen, und eine andere Person sorgt dafür, dass jede Rettung zu spät kommt. Etwas bewegt sich in Montesecco.

Bernhard Jaumann erzählt uns in „Die Vipern von Montesecco“ eine hochmoralische Geschichte, den allmählichen Einbruch des „Anderen“ in eine auf den ersten Blick idyllische Welt. Das Verbrechen schürt Misstrauen, bringt Dinge ans Tageslicht, die besser verborgen geblieben wären, und je mehr diese Welt ins Wanken gerät, desto bedrohlicher schiebt sich eine andere in die harmlose Topografie Monteseccos. Eine Welt ohne Ordnung, ohne Gesetz, eine Welt am Rande des Archaischen.

Für dieses Andere stehen die Vipern, eine mythische Kraft, die sich das Städtchen Stück für Stück erobert. Sehr schön, wie Jaumann hier mit einem Grundcharakteristikum von Krimi spielt: Dem Einbruch des Abnormalen in die Beschaulichkeit. Und so beiläufig wird uns das erzählt, dass wir gar nicht merken, wie wir plötzlich nicht mehr auf dem sonnenüberfluteten Platz vor der Kneipe sitzen und den Gesprächen zuhören, sondern längst an einem sehr dunklen Ort der Psyche gelandet sind.

Zwei Dinge indes stören: Einmal die Schreibsprache, in der die Einwohner Monteseccos manchmal reden wie gestelzt.

„Marisa Curzio sagte: ‚Ihr einziger Sohn wurde von einer Viper gebissen und ist nach Stunden elend daran gestorben. Auf der Todesanzeige neben ihrem Haus hat jemand höhnisch die Viper hochleben lassen. Ihr Mann hat geschworen, seinen Sohn nicht zu beerdigen, bis der Täter gefaßt wird. Es waren seine letzten Worte, bevor er selbst tödlich verunglückte. Zwei Leichen und diese Worte sind alles, was Assunta geblieben ist.“

Die Menschen reden so, wie der Autor erzählt, das passt nicht.

Dann das Bemühen des Autors, uns jede Reaktion genauestens zu erläutern, obwohl der Inhalt für sich spricht.

„Sie spürten, daß sie aufeinander angewiesen waren, und mehr denn je begriffen sie, daß das Verbrechen, das am Anfang all dessen gestanden hatte, nicht nur Giorgio Lucarelli, sondern ihnen allen gegolten hatte.“

Zu dieser Einsicht zu gelangen, ist allein Aufgabe des Lesers, und der Text ermöglicht ihm diese Einsicht auch. Da muss es der Autor nicht auch noch niederschreiben.

Insgesamt mindern diese Einwände die Qualität von Jaumanns Buch jedoch nur unwesentlich. Die Geschichte selbst ist stark genug, den Leser bis zum Ende bei der Stange zu halten.

Bernhard Jaumann: Die Vipern von Montesecco. Kiepenheuer 2005. 275 Seiten, 18,90 €

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