Morag Joss: Half broken things

Was passiert, wenn Verlierer ein Zipfelchen des Glücks erhaschen? Jean, 64 Jahre alt, ist Haussitterin und hat die Aufgabe, für neun Monate in einem herrschaftlichen Haus zu wohnen. Mit der Zeit finden in diesem einsamen und abgeschiedenen Haus drei von der Gesellschaft verlassene und ob der Ausweglosigkeit ihrer Lebenssituation verzweifelte Menschen zusammen. Statt nur das Haus zu betreuen, richten sie sich dort ein und schaffen sich ihr eigenes, von der Realität abgekoppeltes Reich. Endlich einmal, so scheint es, haben die drei Glück, endlich einmal können sie dem „schlechten Stern“, unter dem ihre Leben stehen, entkommen.

Jedoch wir ahnen es, das Glück der Drei ist nur geliehen. Morac Joss’ mit dem Silver Dagger ausgezeichnetes Buch „Half Broken Things“ ist kein Whodunit, sondern Suspense-Literatur. Kulminationspunkt der Geschichte ist der Zeitpunkt der Hausübergabe an den Eigentümer.

Das ist ja klassische Literatur. Zu beschreiben, wie sich Menschen unter besonderen Umständen und bei einer krisenhaften Situation verhalten und wie sie sich verändern. Im Falle von „Half Broken Things“ ist das ausgesprochen gut gemacht. Der Text des Titels des englischen Originals ist ein Zitat von Rainer Maria Rilke und deutet wohl an, woran Morag Joss sich orientiert. Und sie ist eine blendende Literatin, welche die Psychologie ihre Figuren sehr gelungen dekonstruiert. Unaufdringlich, sprachlich gekonnt und bisweilen humorvoll führt sie, einmal aus der Sicht der Haussitterin und zum anderen aus der Sicht eines Erzählers, den Leser durch die Geschichte. Das Buch ist ein Fest für Freunde eines sprachlich und stilistisch ausgefeilten und noblen Textes.

Nur… es handelt sich ja auch um Suspense-Literatur und in dieser Disziplin wird das Buch die Leserschar spalten. Am Ende, wenn der Leser zurückblickt, wirkt das Buch rund. Die Geschichte wird stimmig und logisch abgeschlossen. Auf den Weg dahin versucht Morag Joss die Spannung durch kleine Episoden, wie den überraschenden Besuchs der Chefin Jeans aufrecht zu erhalten.

Aber meiner Meinung nach ist die Gesamtbalance der Geschichte nicht gut gelungen. Die drei Personen selber vermögen nur bedingt zu fesseln, solche Lebensläufe, wie die der 22jährigen zweifachen Mutter, die immer an die falschen Typen gerät, sind zu häufig schon beschrieben worden. Und eigentlich bleiben sie weiter die Getriebenen, die sie schon immer waren. Die ganze Zeit wartet der Leser auf das große Ereignis, welches die Erzählung vorantreibt, aber zunehmend wird klar, dass es dieses nicht gibt, dass insgesamt der große Spannungsbogen fehlt. Man hat sich auf die Geschichte einzulassen und wird dann mit sehr guter Literatur belohnt, aber Spannung taucht erst kurz vor Schluss auf, wenn der Leser den Ausgang zu ahnen beginnt.

Morag Joss: Half broken things. 
New English Library 2004. 304 Seiten, 11,95 €
(deutsch als: "Des Hauses Hüterin", Droemer-Knaur 2005, 7,95 €)

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