Paula L. Woods: Inner City Blues

Der Blickwinkel in den Büchern von Paula L. Woods ist der Gegenentwurf zur Polizistenwelt des LA-Quartetts von James Ellroy: Schwarz und weiblich. Die Stadt der Engel (Los Angeles) steckt voller Rassenkonflikte und die berühmte Polizei der Stadt repräsentiert teilweise noch die Herrschaftsverhältnisse von gestern mit billiger Anmache und rassistischen Sprüchen – Beschwerde kaum möglich, denn kein Kollege würde anschließend mehr mit der Frau zusammenarbeiten.

Charlotte Justice ist Polizistin bei der Robbery Homicide Division (RHD) des Los Angeles Police Departments (LAPD) und seit 2 Tagen unterwegs. In South Central tobt dort wieder einmal ein ursprünglich rassisch motivierter Aufstand, der die Strassen mit Gewalt überzieht. Am Ende nur noch Plünderungen und langaufgestauter Zorn – der Zorn der Polizei gegen „die Strasse“ und der Zorn der Schwarzen der Strasse gegen die „Schläger“ der Polizei. Eine der Leichen die zurückbleibt, ist die eines ehemaligen Führers einer militanten Organisation. Er steht im dringenden Verdacht, vor 12 Jahren Charlottes Ehemann und Baby erschossen zu haben.

Charlotte schildert eine Untersuchung, die gefärbt wird von ihrer – immer noch bestehenden – persönlichen Verzweiflung, der Anmache durch „Kollegen“ und den Demütigungen als Schwarze. Der Ton ist ungewöhnlich und schildert aus einer anderen Perspektive. Diese ist konsequent Schwarz und damit ein Gegenentwurf zur üblichen amerikanischen Krimiwelt, bei der Afro-Amerikaner häufig zu Gang-Mitgliedern reduziert werden. Aber bei aller Noir-Härte, gelöst wird die Suche nach dem Täter im Stil eines klassischen „cozy-whodunits“; bei dem der geübte Leser Spuren häufig schon früh als solche erkennt, ohne sie deshalb deuten zu können. Die Autorin schreibt klug und gebildet, mitunter mit interessanten Bildern. Das Buch ist aus der Sicht eines Mitglieds der LA-niggerati (*) geschrieben; das Milieu ist jenes der „high achiever“, erfolgreiche Ärzte, Anwälte, Psychologen und Charlotte Justice selber hat einen Master in „Criminology“.

Gediegene bürgerliche Mitte… kunstsinnig, kultiviert. Bei der Verwendung der mündlichen Rede wird der soziale Background der Sprecher aufgezeigt. Interessant ist das, wenn ein weißer Polizistenprolo dadurch zeigt, dass er genau das ist.

Paula L. Woods hatte schon Mitte der 90er Jahre mit einem Buch über den Afro-amerikanischen Krimi gezeigt, dass sie das Genre genau kennt. Mit ihrem eigenen Werk hat sie ein sehr gutes Buch vorgelegt. Gut erzählt, spannender Plot, glaubhafter Kontext, komplexe Geschichte. Was dem Buch noch zur aller vordersten Spitze fehlt, ist ein langer Atem bei den Nebensträngen. Diese sind zu sequentiell, da taucht einer nach dem anderen auf, ohne dass sie dann noch weiter eine Rolle spielen. Die Autorin hat genug Ideen und schriftstellerische Fähigkeiten, dass es, wenn sie die Komplexität ihrer Ausschmückungen weiter steigert, für ganz große Werke reicht.

(*) Niggerati: Ein von →Zora Neale Hurston geschaffener Begriff für die afro-amerikanischen Intellektuellen der zweiten Generation aus Harlem.

Paula L. Woods: Inner City Blues. W.W.Norton 1999. 316 Seiten. Momentan nur als "Sondereinband" für 19,50 € oder gebraucht lieferbar.
(deutsch als "Alte Wunden heilen nicht", Droemer Knaur 2002, z.Zt. nur gebraucht lieferbar)

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