Krimis, die so richtig quer stehen zur üblichen Lesart, sind, wenn man mal ehrlich sein will, selten. Klar gibt es Bücher, die herausragen, sei es aufgrund der Sprache oder des ausgefeilten Plots oder der dichten Atmosphäre …, Handwerk eben. Die verschiedene Subgenres haben ihre Schnittmuster, und wenn der Leser Glück hat, kann der Autor des Kaisers Kleider vortrefflich schneidern, aber dass ein Autor etwas ganz Neues hinzufügt, das passiert nicht oft. Duane Swierczynskis „Secret dead men“ ist, glaube ich, so ein seltenes Buch.
Del Farmer ist “Soul Collector”. Bis zu 24 Stunden nach dem Tod einer Person kann er deren Seele einsammeln und in seinem Brain Hotel unterbringen. Und eine recht illustre Schar unterschiedlicher Seelen hat er mittlerweile zusammen. Sein Ziel: Eine kriminellen Organisation namens „The Association“ zur Strecke zu bringen. Diese hatte seinen ursprünglichen Körper und die mehrerer Seelen getötet.
Da stellt sich anfänglich beim Lesen, gelinde gesagt, etwas Überraschung ein. Einer der Grundpfeiler eines Krimis ist die Realitätsverbundenheit. Wird diese aufgebrochen, wie z.B. bei „The Wishing Game“ von Patrick Redmond, endet das Ganze im Fiasco. Ein Krimi macht für den Leser einfach keinen Spaß, wenn der Autor ihn nach Strich und Faden belügen kann und alles mit übersinnlichen Kräften erklären wird.
Aber „Secret dead men“ funktioniert. Sogar großartig… und zwar deshalb, weil der Autor seine Konstruktion ernst nimmt. Das „Seelensammeln“ erfolgt nach festgelegten Vorgaben, und die Seelen im Hotel, die spielen halt auch nach ähnlichen Regeln wie alle Lebenden. Hilfreich ist, dass Duane Swierczynski nicht nur gut erzählen kann, er hat auch viel Humor und zwar einen feinen, eleganten, konsequent die Möglichkeiten seiner Konstruktion ausnutzenden. Das strahlt dann tatsächlich einen größeren Realismus aus, als z.B. die Bücher Carl Hiaasens, die aufgrund der grotesken Übertreibungen immer surreal wirken. Dabei folgt Duane Swierczynski den Vorgaben eines modernen Trillers genau. Sei es der verzweifelte Kampf mit den Starken und Mächtigen, sei es die Art und Weise wie er Spannung schafft, sei es das mehrfache Fintieren, um den Leser an der Nase herumzuführen. Und für all das hat er sogar zwei Bühnen. Die „Seelenwelt“ genauso wie die reale Welt, in welcher der jetzige Körper Del Farmers sich bewegt.
Dieses doppelte Wechselspiel zwischen der „Seelenwelt“ und den Begebenheiten der wahren Welt und dem ungewöhnlichen Plot und dem Befolgen klassischer Genreregeln, das hat nicht nur einen ganz eigenen Reiz, nein, das ist groß. Mit anderen Worten: Ein ungewöhnlicher Lesegenuss… bezaubernd, avantgardistisch, gelungen. Ein Muss für alle, die Autoren schätzen, die nicht nur Neues probieren, sondern es auch gekonnt und stilsicher durchziehen können. Für mich eines der herausragenden Bücher dieses Lesejahres.
Duane Swierczynski: Secret Dead Men.
Point Blank 2005. 204 Seiten, 15,50 € (Taschenbuchausgabe).
Noch nicht ins Deutsche übersetzt.