Reginald Hill: Bones and Silence

OK, die Schlacht ist geschlagen und der →Dagger of Dagger vergeben. Reginald Hills „Bones and Silence“ war eines der nominierten Bücher und hat nicht gewonnen. Dennoch, der einzigartige Stil Hills verdient eine Rezension in „watching the detectives“.

Reginald Hill schreibt nicht nur in der Tradition der klassischen englischen Literatur. Nein, diese Literatur ist für ihn auch ein Steinbruch. Seine Bücher sind voll mit Zitaten und Anspielungen auf die großen Literaten wie Shelley, Byron oder Shakespeare – ohne Referenz und ohne Anführungsstriche. Diese kann man als Leser erkennen (selten), oder es mag einem auffallen, dass ein Satz zur Gegenwartssprache quersteht (häufiger), oder aber man nimmt es nicht wahr. Und Hill versteht es, derartige Bezüge bruchlos in seine sprachlich gekonnten Werken einzubauen.

Was sich ein wenig wie eine freudlose Angelegenheit für Anglisten anhören mag, kann sich heutzutage jeder Leser des Originals im Internet selber erschließen. Als Leser der Übersetzungen muss man dagegen darauf hoffen, dass diese kompetent kommentiert sind, denn dort dürften die literarisch feinen Bezüge weder erkennbar noch ableitbar sein.

In „Bones and Silence“ stützt diese Stilistik einen gelungenen Plot. Es fängt damit an, dass Detective Superintendent Andrew Daziel, mehr oder weniger voll getankt, sich in einen Eimer auskotzt und im Nachbargebäude eine Szene beobachtet. Er ist überzeugt einen Mord zu beobachten. Nun ja, der vermeintliche „Täter“ und ein im Raum anwesender Zeuge erklären das Geschehen ganz anders, erzählen was von Unfall … und dann taucht der Zeuge ab. Kein Wunder also, dass der Fall vom Gericht als tragischer Unfall gewertet wird. Kein Wunder aber auch, dass der rüde daherkommende Superintendent Dalziel und seine Mitarbeiter, insbesondere sein Vertrauter, Peter Pascoe gegen den Wunsch des Polizeichefs den Fall weiter untersuchen. Dabei hat die Abteilung Daziels ansonsten genug Arbeit mit Fußballhooligans, verschwundenen Personen und einer geheimnisvollen Frau, die ihren Selbstmord in mehreren Briefen an Dalziel ankündigt. Und auch dass Dalziel im lokalen Mysterienspiel als Gott auftreten soll, beschäftigt ihn mehr, als er sich eingestehen will.

Was so wirkt, als spule Hill das übliche Programm eines modernen britischen Krimis ab, erhält seinen besonderen Reiz, als 100 Seiten vor Ende des Buches eine Person ins Dienstzimmer tritt und mitteilt, sie habe etwas zu gestehen. Daraus entwickelt sich dann „Krimischach“ vom Feinsten, vorgetragen von einem Autor, der jederzeit Herr seiner zur Papier gebrachten Fantasie ist.

Reginald Hill ist in „Bones and Silence“ eine wunderbare Inszenierung gelungen. Die Mitwirkenden sind kräftig und glaubwürdig gezeichnet, das Gleichgewicht zwischen Dalziel, Pascoe und den anderen Polizisten der Abteilung ist besser gewahrt als in den frühen Werken Hills und – wie schon gesagt – es ist ein Spaß und Vergnügen, dieses unangestrengt wirkende Buch zu lesen. Bleibt vielleicht die Frage, weswegen Hill nicht den „Dagger of Dagger“ erhielt. Ich weiß nicht, was die Jury dazu bewog, John Le Carre den Preis zu geben, aber sagen wir mal, dass meiner persönlichen Meinung nach im Feld der nominierten Bücher mindestens zwei Bücher waren, deren Bedeutung für das Genre größer ist.

Reginald Hill: Bones and Silence. 
Dell 1990. 448 Seiten, 7,49 €
(deutsche Übersetzung: "Die dunkle Lady meint es ernst". Europa 2003. 415 Seiten, 24,90 €)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert