Historienschinken

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Der Herr dpr ist ja eigentlich ein sehr netter Mensch. Hat seine Macken, aber na, wer hat die nicht? Eines aber sollte man vermeiden, wenn man in seiner Nähe ist: „Historienkrimis“ zu loben. Ui, da färbt sich das Bloggerköpfchen zornesrot!

Also es war so: Ich war zu Besuch in der Hinternet-Redaktion, weil man ja wissen will, auf was man sich da eingelassen hat als seriöser Finanzbeamter. Interessant, doch, doch. Die hellen, großzügig geschnittenen Redaktionsräume … modernste Technik vom Feinsten … proppere Praktikantinnen stelzen hochbeinig und träumerisch über die Korridore … aber was ich sagen will: Mittags hat mich dann der wirklich sehr, sehr nette Herr dpr in die Hinternet-Kantine eingeladen. Das Fräulein Katja hatte Küchendienst. Als der Herr dpr das gecheckt hat, ist er schon so merkwürdig grummelig geworden, und als dann das Essen kam, wusste ich auch warum: Es gab klebrigen Reis, mit Sardellen aus der Dose vermischt und einer Art Tymian/Schnittlauchsoße garniert. „China-Variation“ nannte sich das, und so schmeckte es denn auch.

Vielleicht wäre alles gut gegangen, hätte ich mich – aus lauter Verlegenheit – nicht zu dem Ausruf „Das schmeckt ja wie bei Richter Di zum Frühstück!“ hinreißen lassen. Sofort ist des wirklich äußerst netten Herrn dpr Miene finster geworden, er hat empört nach Luft geschnappt und die Gabel brachial in den Reisberg geknallt: „Richter Di?“, hat er ausgerufen (das Fräulein Katja hat erschrocken seinen Krückstock fallen lassen), „Gehen Sie mir doch weg mit diesem historischen Krimikrimskrams! Nix wie Lügen und Potemkinsches Kulissenschieben!“

Nun muss man wissen: Ich mag den Richter Di. Und finde auch, dass der Robert van Gulik, der ja in China war und Chinesisch konnte und sogar wissenschaftlich darüber geschrieben hat, dass der uns also wirklich ein ganz authentisches Bild vom Leben anno dazumal im Reich der Mitte überliefert hat. Und spannend dazu! Genau das habe ich dem Herrn dpr auch gesagt, und er hat erst einmal nichts gesagt, aber ich hab gemerkt: Oh, gleich explodiert der, und dann muss ich seine Portion auch noch aufessen, was mir sehr schwergefallen wäre.

Er ist dann doch nicht explodiert, aber fast! „Pappalapp, ich kanns nicht mehr hören! Was wusste denn dieser Gulik schon vom alten China! Das ganze Drumherum, das mag ja noch angehen! Das kann man aus Büchern ziehen! Aber die Menschen? Ihre Denkweisen? Wie sie sich in bestimmten Situationen verhalten? Das spezifische Rechtsempfinden damals? Das konnte der nicht wissen! Dieser ganze Richter Di – Krempel ist doch altes China aus dem Kopf eines neuen Holländers! Edamer süßsauer! Ein bisschen Sherlock Holmes dazu, ein bisschen Sex, ein bisschen Action – das ist wie, wie, wie…“ – Und jetzt ist er wirklich puterrot im Gesicht geworden, hat mit der Faust auf den Reisberg geschlagen (die Gabel steckte noch drin; das muss wehgetan haben!) und hat es herausgeschrieen: „Wie – wie dieser elende Eco mit seinem Rosennamen! So ein Mist! Das soll Mittelalter gewesen sein? Ein Klugscheißer, der auch noch William von BASKERVILLE heißt und und und… Österreichisches Klosterleben des Mittelalters durch die Augen eines englischen Detektivs des 19. Jahrhunderts, der das Geschöpf eines italienischen Semiotikspinners des 20. ist, und die griechische Antike wird auch noch gleich mitverbraten… uaaaaaaah!!!“

Ich meine… so unrecht hat der liebe Herr dpr ja gar nicht. Erst neulich hab ich den Kopf geschüttelt, als ich unter den Novitäten des Grafit Verlages den Historienkrimi „Caligulas Rache“ von Ingo Gach entdeckt hab. Da steht wörtlich:

„123 n. Chr. wird im römisch besetzten Colonia ein Quaestor bestialisch ermordet. Ein Schuldiger ist schnell gefunden, schließlich steckt der Dolch des freigelassenen Sklaven Walraban im Leib des ungeliebten Steuereintreibers. Einzig der junge Germane Rainolf glaubt nicht, dass sein Freund der Täter ist, denn Walraban konnte ihm kurz vor seiner Verhaftung noch erzählen, dass ihm vermutlich zwei Tenkterer die Waffe gestohlen haben. Mit Hilfe der attraktiven Tochter des römischen Prokonsuls folgt Rainolf den Spuren der beiden Barbaren. Nicht ahnend, dass er dadurch nicht nur sich selbst, sondern auch seine Familie in große Gefahr bringt.“

Ich meine – da bräuchte man nur statt 123 n. Chr. 2005 n. Chr. zu schreiben, statt Colonia Köln, statt Sklave Sachbearbeiter, statt Steuereintreiber und Quaestor Finanzbeamter (bin ich ja selber!) … und dann könnte Ingo Gach auch den Gegenwartskrimi „Schröders Rache“ schreiben:

„2005 n. Chr. wird in Köln ein Finanzbeamter bestialisch ermordet. Ein Schuldiger ist schnell gefunden, schließlich steckt der Dolch des abhängig beschäftigten Sachbearbeiters Walraff im Leib des ungeliebten Steuerexperten. Einzig der junge Saarländer Rudolf glaubt nicht, dass sein Freund der Täter ist, denn Wallraff konnte ihm kurz vor seiner Verhaftung noch erzählen, dass ihm vermutlich zwei Pfälzer die Waffe gestohlen haben. Mit Hilfe der attraktiven Tochter des Landrats von Köln-Nippes folgt Rudolf den Spuren der beiden Barbaren. Nicht ahnend, dass er dadurch nicht nur sich selbst, sondern auch seine Familie in große Gefahr bringt.“

Es ist ja wirklich nur die Kulisse, die auf „historisch“ getrimmt ist und durch die dann doch nur der ewig alte Krimiwurm kriecht. Wir lernen, dass ein Quaestor ein Finanzbeamter ist, Köln mal Colonia hieß und auch die Töchter römischer Prokonsuln für guten Sex stets zu haben waren. Und wahrscheinlich lernen wir, was die so gegessen haben (sehr beliebt in Historienkrimis!), wie das so war mit der Notdurft (im Mittelalterkrimi kippen sie die immer aus dem Fenster, unter dem gerade der Held steht und schwer am Grübeln ist). Aber wie es damals wirklich zuging – das erfahren wir natürlich nicht. Wie auch. Das weiß doch der Autor, die Autorin gar nicht, wenn er oder sie so am Laptop sitzt und sich „die Atmosphäre des 19. Jahrhunderts“ oder was sonst aus den Karteikärtchen schnitzt, die eine studentische Hilfskraft zusammenrecherchiert hat.

Da müssen wir schon die Kriminalromane der Vergangenheit lesen. Und das tut natürlich kein Mensch außer dem eigentlich ungewöhnlich netten Herrn dpr, der schließlich wortlos aufgestanden und gegangen ist, mich nachwinkend. Wir besuchten eine exzellente Saarbrücker Speisegaststätte, hernach ein gemütliches Bierlokal und dann… nun, das tut hier nichts zur Sache. Von Historienkrimis habe ich aber nicht mehr angefangen. Ich bin doch nicht blöd…

Ihr K.

(Herr K. arbeitet als Sachbearbeiter bei der Oberfinanzdirektion Oberursel. Seine Lieblingskrimiautoren sind: Raymond Chandler („aber nur die, wo Lauren Bacall mitspielt!“), Anobella („aber nur so lange, bis die ihren ersten Krimi veröffentlicht hat!“) und Jan Seghers („Ich hab auch was gegen rothaarige Frauen!“). Wenn es ihm die Zeit erlaubt, wird Herr K. seine Mittagspausen weiterhin dazu nutzen, den Krimi zu erklären.)

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