Alles muss raus, 2005 ist passé. Hier also noch einmal drei Krimis des vergangenen Jahres in kurzen Rezensionen.
Und wir beginnen mit einem jener Krimis, die nur vorgeben, Krimis zu sein oder als solche gehandelt werden, weil sie mit den Mitteln des Krimis arbeiten. Kristof Magnusson, einer Deutscher isländischer Abstammung hat mit „Zuhause“ ein wirklich feines Debüt vorgelegt, die im besten Sinne tragikomische Geschichte des jungen Larus, der Weihnachten auf Island verbringt und feststellen muss, wie seine festgefügte Welt aus Freundschaften in die Brüche geht. Der Freund hat ihn verlassen, seine einzige Vertraute vertraut ihm nicht mehr. Sprachlich leichtfüßig kommt das daher, voller absonderlicher Ideen auch, ja, und durch das Ganze zieht sich „suspense“ wie eine eiserne Klammer. Brandstiftung, Körperverletzung, ein seltsamer Todesfall, vor allem aber ein seit tausend Jahren gehütetes Familiengeheimnis sorgen für Spannung. Kein Krimi, das nicht. Aber ein weiteres Beispiel dafür, dass man mit Elementen des Krimis auch außerhalb des „Genres“ gut arbeiten kann. Am Ende vielleicht ein wenig wirr, aber der Roman entschädigt einen spielerisch dafür.
Gleich zwei Krimis bietet „Raid und der dumme Junge“ von Harri Nykänen. Sympathischer Auftragskiller hilft titelgebendem dummen Jungen, der sich auf einen Konflikt mit der südamerikanischen Drogenmafia eingelassen hat. So weit, so hanebüchen eigentlich. Aber Nykänen löst das Problem souverän. Der andere Fall nämlich ist konventionell und wird von einer durchaus originellen Truppe regulärer Kriminalisten bearbeitet: Eine Stewardess und ihr bolivianischer Geliebter werden tot aufgefunden, die Handlungsstränge der beiden Geschichten laufen direkt aufeinander zu. Das ist, mit einem Wort, unprätentiös erzählt, ohne die gängigen Klischees vom guten Kern in der verdorbenen Hülle zu bemühen, ohne aufgesetzte Moral, dafür aber mit einem stimmigen Ende. „Raid und der dumme Junge“ ist einer der Gründe, warum ich hinsichtlich des skandinavischen Krimis doch nicht so schwarz sehe, wie ich es eigentlich gerne möchte.
Ja, und dann wäre da noch Charles Todd mit seinem Inspektor Ian Rutledge, in dem eine „zweite Stimme“ rumort und an die Grauen des Stellungskriegs im Ersten Weltkrieg erinnert. Hatten wir ja → kürzlich schon, und damals sagte ich, eine geniale Idee sei nicht genug, vor allem dann nicht, wenn man sie ständig wiederkäue. Dabei bleibe ich auch. „Die zweite Stimme“ ist chronologisch der erste Band der Reihe, unterscheidet sich in seiner Story aber kaum von den Nachfolgern. Rutledge wird aufs Land geschickt, um einen Mord aufzuklären, es entwickelt sich ein typischer Whodunit auf durchaus hohem Unterhaltungsniveau. Aber diese ewige „Schützengrabenneurose“… dieses ewige Anspielen auf das unfassbare Grauen des Krieges… Schade. Hier hätten die beiden Autorinnen, Mutter und Tochter, die sich ein Pseudonym teilen, ihre Idee weiterentwickeln müssen – oder ganz langsam in den Hintergrund drängen. Doch, doch, das liest sich alles gut, eigentlich. Aber nur, wenn man Todds „geniale Idee“ beim Lesen ausblendet.
Kristof Magnusson: Zuhause.
Kunstmann 2005. 315 Seiten, 19,90 €
Harri Nykänen: Raid und der dumme Junge.
Grafit 2005. 284 Seiten, 9,50 €
Charles Todd: Die zweite Stimme.
Heyne 2005. 383 Seiten, 9,95 €