Notiz: Geschwindigkeit und Landschaften

Sich an Büchern abarbeiten, Büchern wie Textmonster. Okay, ich hab auch wenig Zeit, mein Lesevolumen ist begrenzt, es graut einem fast bei dem Gedanken, wie man diese Meere durchschwimmen soll: Charles Todd („Kalt wie Stein“) mit 510 Seiten und James Ellroy („Blut will fließen“), schicke 800.

Hinsichtlich der Lesegeschwindigkeit treffen hier völlig gegensätzliche Erzähltechniken aufeinander. Die extreme Langsamkeit bei Charles Todd, dieses gemächliche Auffächern der Handlung, mit vielen Redundanzen und Nebensächlichkeiten, dagegen das unglaubliche Tempo bei Ellroy, der schon auf den ersten Seiten praktisch mit jedem Satz eine neue Story anschneidet. Dort fährst du gemütlich durch eine Landschaft, dort fährt die Landschaft pfeilschnell durch dich.

Interessanter ist jedoch ein Phänomen, das sich nach einer gewissen Lesezeit einstellt. Während sich Todds Geschichte in die erwarteten Verästelungen ergießt und immer schneller die bekannten Muster entwickelt, erstarrt „Blut will fließen“ bei allem Verve tatsächlich zu einem Bild. Die einzelnen Erzählstränge treten hervor und werden doch als souveräne Elemente des Textes immer unwesentlicher.

Dabei sind beide Romane durchaus das, was man lesbar nennt; bei Todd wie nicht anders erwartet, bei Ellroy mit zunehmender Lesedauer geradezu auf „Story-Niveau“, was man von etlichen seiner letzten Werke nicht behaupten konnte.

Nun ist es so, dass sich mir nach einer Lektüre ein Buch eh als Textfläche präsentiert, ganz gleich, welches Erzähltempo vorgegeben worden ist. Den Todd habe ich jetzt fast durch und die Landschaft, in die ich zurückblicken werde, dürfte bei aller Raffinesse eher karg sein, irgendwie läppisch, routinierte Gartenarchitektur irgendwie. Den Ellroy hab ich jetzt zur Hälfte gelesen, und ich weiß, dass er mir, was seine Dramaturgie betrifft, kaum noch Neues zu bieten hat, aber auf die Textlandschaft, auf die ich später blicken werde, bin ich durchaus gespannt. Ihr werdet erfahren, was ich da sehe…

dpr

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