„The Confession“ von Dominic Stansberry erhielt 2005 den Edgar in der Kategorie „Beste Taschenbuchneuerscheinung“. Eine Kategorie mit Tradition. In der Vergangenheit wurden hier Autoren wie Harlan Coben, Laura Lippman oder → Sylvia Maultash Warsh ausgezeichnet.
„The Confession“ ist kein einfach zu lesendes Buch. Ein Buch, bei dem ich mich mittendrin fragte, was denn die Juroren geritten hatte. In diesem Buch zählt nur eine Sichtweise und das ist die des Ich-Erzählers. Das ist nicht ohne Probleme, denn Jack Danser ist zwar nicht pompös, er hat auch keine überbordende Phantasie und wird auch nicht in wilde Abenteuer verwickelt. Aber er ist eine selbstsüchtige ichbezogene Person, mit der man sich eigentlich nicht näher beschäftigen mag. Er ist psychiatrischer Gutachter vor Gericht und sollte von berufswegen sensibel genug sein, die Empfindungen seiner Frau zu verstehen. Stattdessen beschläft er jede Frau, der er habhaft werden kann und wundern sich dann, dass seine Frau sich scheiden lassen will.
Dann wird eine frühere Geliebte von ihm, eine seiner Krawatten um den Hals, tot aufgefunden. Und so langsam, zur Hälfte des Buches hin, beginnt es den Leser zu fesseln. Jack Danser gilt als tatverdächtig, die Staatsanwaltschaft klagt ihn an und er entwickelt Abwehrstrategien. Ein Kollege untersucht ihn, er steht vor Gericht, seine Anwältin trickst … und dann das überraschende Ende.
Es ist ein Buch, welches sich, eindeutiger als viele andere Krimis, vom Ende her liest. Keines dieser Bücher, die einen von der ersten Seite an in ihren Bann schlagen und bei denen der Leser atemlos die Seiten verschlingt. Auch keines dieser Bücher, bei denen mehrere parallele Erzählungen und wechselnde Perspektiven den Umfang auf 400 und mehr Seiten hieven. Nein, es ist ein kurzes, knappes Buch, welches sich auf seine Geschichte konzentriert und das man gerne ein zweites Mal liest. Dabei erst kann man dann erkennen, wie gekonnt und gelungen Stansberry das Buch konstruiert hat und seine Personen handeln lässt.
In Amerika wurde „The Confession“ sehr kontrovers diskutiert; von Sarah Weinman z.B. wurde ihm moralische Fragwürdigkeit vorgeworfen. Dabei ist dieses Buch nicht mehr und nicht weniger als ein sehr gut gemachtes und den modernen Bedingungen angepasstes „Remake“ eines der großen Klassiker aus den späten 20er des letzten Jahrhunderts.
Nicht dass ich behaupten will, dass Stansberry sich bewusst an diesem Original orientiert hätte. Seine Vorbilder können auch bei den amerikanischen Klassikern der 50Jahre liegen und die auffällige Parallele zu dem Werk der 20er zufällig sein. Wie dem auch sei. Es ist ein gelungenes „Remake“ und ein mutiges und extrem fokusiertes Buch. Der zeitgenössischen Stilistik angepasst, ist es ein Buch für alle, die dem „Original“ vorwerfen (wie gelegentlich in Foren zu lesen), dass bei der Entstehung jenes alterwürdigen Buches die Lesererwartungen der Gegenwart nicht berücksichtigt wurden. Für alle Krimileser die keine älteren Bücher lesen, ist „The Confession“ ein Muss. Und für alle jenen, die den einst tabubrechenden Klassiker gelesen haben, ist es ein Lesevergnügen der besonderen Art. „The Confession“ hat das Zeug zum Klassiker, da es einen gewissen Ablauf des Krimirätsels erneut für viele Jahre verbaut.
Erschienen ist das Buch in der „Hard Case Crime“ – Serie, die auch in Deutschland schon wiederholt Erwähnung fand (z.B → hier oder auch im → Krimijahrbuch 2006 in einem ausführlichen Beitrag von Axel Bussmer). Das ist eine dieser in den USA populären Serien, die sich in Stil und Aufmachung an die Pulp Fiction Tradition anlehnen. Andere Bücher der Serie sind z.B. zwei frühe Lawrence Block, ein Day Keene, ein Buch des → anderenorts genannten Allan Guthrie oder ein Buch vom geschätzten Erle Stanley Gardner.
Dominic Stansberry: The Confession.
Hard Case Crime 2004. 218 Seiten, 6,99 €
(noch keine deutsche Übersetzung)