Liebe in den Zeiten des Internets: Wenn Menschen entwurzelt in ihren Wohntürmen leben, bietet es sich als Ort des Kennenlernens an. So kommt auch der Täter in „Blood of Others“ von Rick Mofina mit seinen Opfern, allein lebenden jungen Frauen, über Chat rooms und andere Internet-Singletreffs zusammen. Frauen, von denen der Killer viel fordert (absolute Vergebung) und denen er alles nimmt.
Wo es am Abend zuvor vier Kostüme waren, die im Schaufenster des edlen, auf Selbstentworfenes spezialisierten Braukleidgeschäfts zu sehen sind, sieht man eines Morgens deren fünf. Im fünften steckt die Leiche einer jungen Frau. Mit 51 Messerstichen in der Brust, und die Haut des Gesichts abgezogen. So ein Mord … so brutal und ritualisiert … von einem Täter, so professionell, dass zuerst keinerlei Spuren so finden sind … so ein Mord kommt selten allein, ist der verantwortliche Detektiv, Walt Sydowski überzeugt. Sydowski ist ein Polizist der alten Schule. Wie ein Trüffelschwein wühlt er nach Spuren, die ihn zum Täter führen. Beharrlich und starrköpfig folgt er den winzigen Hinweisen. So ist er es dann auch, der die Spuren findet, die den Durchbruch bringen, und doch scheitert er fast an seiner Eigensinnigkeit.
Ungelesen lag das Buch längere Zeit in meinem Bücherregal. Das ewige Serienkillermotiv und eine Lobpreisung von James Patterson auf dem Umschlag machen nicht gerade Lust auf mehr. Unrecht tut man „Blood of Others“ damit. Ein wenig Spannung a la Michael Connelly, ein wenig Laborzauber a la Jeffery Deaver und ein wenig psychologischer Tiefgang aus der eigener Küche und fertig ist ein äußerst unterhaltsames Buch, welches zahlreiche wechselnde Perspektiven bietet und zwischen den handelnden Personen ein komplexes Gefüge entwickelt.
Da ist z.B. Ben Wyatt, ein Polizist, der im Team von Sydowski an der Aufklärung mitarbeitet. Von diesem wird er verachtet, weil er durch seine Feigheit seinen Partner in den Rollstuhl gebracht haben soll. So wird der Computerspezialist (!) von Sydowski ignoriert und für irrelevante Aufgaben eingesetzt. Mit dem Killer hat er gemein, dass auch er Vergebung für seine Vergangenheit sucht. Und so ahnt der Leser, dass diese zwei sich bei der Einen treffen werden. Oder der Journalist Tom Reed, der parallel zur Polizei wichtige Informationen, die zur Aufklärung des Falles beitragen können, erhält. Ihm sind seine Frau, die will dass er mit dem Job aufhört, und sein Chef, der ihn rausschmeißen will, im Nacken. Er kennt sowohl Wyatt als auch Sydowski aus früheren Fällen und versorgt beide mit seinen Informationen.
Rick Mofina hält die verschiedenen Handlungsfäden des Buchs gekonnt zusammen, deutet geschickt so manche Parallele zwischen den Handelnden an und erzählt seine Geschichte aufreizend unaufgeregt, ohne chichi, zielorientiert. Das Buch liest sich kurzweilig, entwickelt viel Spannung und wirkt einfach stimmig. Zum Ende des Buches hin gehen dem Autor vielleicht etwas die Pferde durch und die Taten des Täters wirken gar etwas überdimensioniert, aber insgesamt ist „Blood of Others“ von den Werken des Eingangs genannten James Patterson beliebig weit entfernt. So bekommt man vielleicht keinen Edgar, aber für den kanadischen Arthur Ellis Award hat es – gerechterweise – 2003 gereicht.
Rick Mofina: Blood of others.
Zebra Books 2002. 480 Seiten. 6,49 €
(noch keine deutsche Übersetzung)