(Mit einer durchaus wohlwollenden Rezension von John Connollys „Die Insel“ beginnt Jochen König seine Mitarbeit bei den Hinternet-Krimiseiten. A warm welcome! Herr König hat, wie übrigens alle Hinternet-Kriminalautoren, ein mehrjähriges Studium an der Cambridge School of Advanced Crime Criticism erfolgreich absolviert und im Fernlehrgang die Lizenz zum Verreißen erworben. Hinternet rules the crime!)
Menschen umkreisen sich wie Motten das Licht. Durch Zeit und Raum bewegen sie sich aufeinander zu wie an Schnüren gezogen, und wenn sie sich endlich gegenüber stehen, fliegt alles in Fetzen.
Es beginnt im Jahr 1693, als ein Ausgestoßener (Erinnerungen werden wach an Joseph Conrads „Outcast of the Islands“) die Insel „Sanctuary“ überfällt und in der einzigen Siedlung dieser Insel mit seinen Komplizen ein Massaker anrichtet.
Rund 300 Jahre später scheint sich diese Geschichte zu wiederholen. Doch diesmal werden die Killer erwartet. Und zwar von den Geistern der vor Dekaden getöteten Siedler.
John Connolly hat mit „Bad Men“ eine Mixtur aus modernem Serienkiller-Thriller und nostalgischer Geistergeschichte geschrieben, die bis ins Märchenhafte reicht. Es gibt einen bösen König, eine nicht ganz unschuldige Prinzessin und einen Riesen, der aber – entgegen gängiger Lesart – auf Seiten der Guten kämpft.
Das liest sich erstaunlich gut, ist durchaus spannend bis zum gespenstischen Finale.
Und doch will es nicht recht ineinander greifen: auf der einen Seite die Pilgerfahrt des ultimativ Bösen, eine Gruppe eiskalter, bzw. durchgeknallter Killer, die eine blutige Spur hinterlassen, ohne gestoppt zu werden; auf der anderen Seite jene unheimlich-beschauliche Insel mit ihren unterschiedlichen Bewohnern, ihren Affären und Visionen. Dabei gelingen Connolly eindringliche Szenen, sei es ein Kapitel, das an Spannung die meisten Backwoods-Filme der letzten Jahre auf hintere Ränge verweist, sei es jener fiese kleine Moment, in dem der Agent Mr. Misters durch das Summen der Melodie des Songs „broken wings“ der Band Mister Mister zur Weißglut getrieben wird. Jeder, der das Lied kennt, kann seine Reaktion nachvollziehen…
Doch es wird zu viel behauptet: von Zwangsläufigkeit, Schicksal und dem Kreislauf, der sich irgendwann schließen muss. Warum das so sein soll, und warum es gerade zum Zeitpunkt der Romanhandlung passiert, bleibt jedoch offen.
Zu stereotyp ist auch die Namensgebung der Protagonisten: da trägt der Bösewicht der Vergangenheit und Gegenwart den Nachnamen „Moloch“, und als sei das noch nicht eindeutig genug, wird im Text die Herkunft und Bedeutung dieses Namens ausführlich erörtert. Sein weiblicher Gegenpart heißt Marian, was sowohl auf die Bibel wie auf Robin Hood verweist, beides nicht ohne Berechtigung, doch zu offensichtlich.
Trotz allen Einwänden bleibt „bad men“ ein lesenswertes Buch. Connolly ist ein viel zu guter Schreiber, um den Leser untreu werden zu lassen (selbst an seinen schlechten Tagen ist er besser als Stephen King an seinen guten). Auch wenn die Erzählstränge nicht perfekt ineinander greifen, ist jeder für sich unterhaltsam genug, um ihm folgen zu wollen – und natürlich bleibt der Reiz zu erfahren wie und wann sich die beiden Stränge – wenn auch knirschend – treffen…
Mit seinen Romanen um den (Ex)-Cop Charlie „Bird“ Parker – der im Buch einige honorable Erwähnungen bekommt – kann „bad men“ nicht mithalten, aber ein weitgehend spannendes Vergnügen – mit wunderbaren, düsteren Einzelpassagen – ist es allemal.
PS.: Die Motten-Paraphrase zu Beginn der Rezension musste einfach sein. Leser des Buches wissen warum…
John Connolly: Die Insel.
Ullstein 2005. 479 Seiten. 14 €
(Original: „Bad men“. Hodder & Stoughton 2003)