Tony Hillerman: Der Skelett-Mann

Vor Jahren habe ich einen der geschätzten „Ethno-Krimis“ von Tony Hillerman gelesen. Und wenig später wieder vergessen. Er war weder schlecht noch so gut, dass er Lust auf mehr gemacht hätte. Seitdem beobachte ich die allgemeine Wertschätzung, die Hillerman genießt, mit Misstrauen – auch mir gegenüber, denn vielleicht habe ich damals den falschen Roman gelesen, einen missglückten eben. Da hilft nur eins: Noch einen lesen.

Die Story des „Skelett-Manns“ in drei Sätzen. Bei einem Flugzeugzusammenprall über dem Grand Canyon in den 50er Jahren ist ein Diamantenkoffer verloren gegangen, der mit Handschellen an einem Arm befestigt war, der ebenfalls verloren gegangen ist, später aber gesichtet wurde und jetzt von der unehelichen Tochter seines Besitzers dringend benötigt wird, um die Vaterschaft per DNA-Analyse nachweisen und in den Besitz eines großen Vermögens gelangen zu können, das momentan noch von einem zwielichtigen Verwalter missbraucht wird, der nun seinerseits nicht möchte, dass man den Arm findet und einen zwielichtigen Typen beauftragt, es zu verhindern.

Kompliziert wird die Geschichte, weil nun ein Diamant aus dem verschollenen Koffer im Besitz eines leicht zurückgebliebenen Indianers aufgetaucht ist, jedoch auch aus einem aktuellen Überfall stammen könnte oder einem schon länger zurückliegenden. Der Indianer behauptet, er habe das wertvolle Stück von einem anderen, schon sehr alten Indianer bekommen und zwar im Grand Canyon.

Hm. Worauf das hinausläuft, ist so ziemlich eindeutig: Alle Beteiligten steigen irgendwann hinab in den Grand Canyon, um den Indianer zu suchen und die Diamanten beziehungsweise den Arm zu finden. Die indianischen Polizisten ebenso wie die Frau, die ihre Tochterschaft nachweisen muss und nicht zu vergessen der bösartige Bursche, der genau das vereiteln soll. Alles endet erfreulich. Es gibt einen Toten – dabei trifft es den Richtigen – es gibt ein Happyend. Nichts dagegen einzuwenden.

Aber das weiß man alles sehr rasch. Das erinnert an die Dramaturgie älterer amerikanischer Krimiserien, deren einzelne Episoden nach einem vorhersehbaren und vorher auch schon häufig gesehenen Muster 45 Minuten lang abspulten, eine clevere Mischung aus Action und Verwicklung, bei der am Ende alles auf dem Präsentierteller liegt, wie von einem Partyservice für angenehme Spannungsliteratur angerichtet.

Nichts Aufregendes passiert. Erzählen kann Hillerman natürlich gut, da macht es auch nichts, wenn das Ordnungshütertrio recht hölzern und gesichtslos daherkommt. That’s life; schön. Störend indes wirkt das penetrante Wiederholen von Fakten, die der Leser längst kennt, die aber von Person A an Person B und von dieser an Person C übermittelt werden. Auch das mag ja in Wirklichkeit so sein; Romane sind aber in diesem Sinne keine Abbildung von Wirklichkeit.

Wie bei Hillerman nicht anders zu erwarten, werden wir Leser auch im „Skelett-Mann“ mit Sitten und Gebräuchen der Indianer gefüttert, was dann eben den „Ethno-Krimi“ ausmacht. Das ist ja nicht uninteressant, manchmal ist es sogar recht atmosphärisch. Ändert aber nichts daran, dass dieser Krimi so spannend ist wie die 10.000 anderen, die nach dem gleichen Muster weltweit gebaut worden sind. Schade. Substanz ist schon da. Sie versteckt sich aber. Vielleicht sollte ich irgendwann noch einen Hillerman lesen.

Tony Hillerman: Der Skelett-Mann. 
Rowohlt 2006. 282 Seiten. 8,90 €

4 Gedanken zu „Tony Hillerman: Der Skelett-Mann“

  1. Am besten liest du die frühen Werke von Hillerman. Da gibt es wesentlich mehr, gut verpackte Informationen über die indianische Kultur und die Krimihandlung ist auch bessern.

    Meint

    Axel

  2. Werde ich machen, Axel. Grübele seit einigen Tagen, welchen Hillerman ich damals gelesen habe, komm aber nicht mehr drauf. Drei, vier Jahre her? Mal in die Niederungen meiner Bibliothek hinabsteigen…

    bye
    dpr

  3. Lieber dpr,

    ich muss mich an dieser Stelle als Hillerman-Fan bekennen. Na klar, jeder Serienautor hat mal eine schwache Minute (selbst unter Ed McBains Geschichten aus dem 87. Polizeirevier gibt es ziemlich mäßige), aber Tony Hillerman überzeugt in seinen besten Stücken eben nicht nur als Autor von Ethno-Krimis. Und nun der Lesetip: „Skinwalkers“ von 1986, den deutschen Titel weiß ich momentan nicht.

    All the best

    Joachim

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