Dieses ist die vierte Besprechung eines der diesjährigen Kandidaten für den Edgar, Kategorie „Bestes Taschenbuch“.
„Kiss her Goodbye“, in der auch hier bei wtd schon häufiger genannten „Hard Case Crime“ Serie erschienen, ist Allan Guthries zweites Buch. Es zeigt, dass sich der junge schottische Autor erfolgreich als Noir-Autor zu etablieren beginnt; und es zeigt den amerikanischen Einfluss, unter dem Guthrie steht.
„Kiss her Goodbye“ ist ein hartes Buch, kompromisslos zu seinen Protagonisten und arm an Romantik. Überwiegend mit einem ironischen Unterton geschrieben, hat es dennoch nichts Absurdes und Überzeichnetes an sich. Der Stil funktioniert, wenngleich dieser ironische Ton es dem Leser mitunter etwas schwer macht, dieses Buch immer Ernst zu nehmen: Die Trauer von Joe Hope, der Hauptperson des Buches, über den Selbstmord seiner Tochter kommt nicht so intensiv an, wenn der Autor im Hintergrund ständig weiter vor sich hin witzelt.
Joe ist Eigentümer eines Baseball-Schlägers und Geldeintreiber. Ein besonders gewalttätiger Mensch ist er nicht, aber klar: Manchmal muss er ausstehenden Forderungen auch den nötigen Nachdruck verleihen. Die Beziehung zu seiner Ehefrau ist nicht mehr, was sie ´mal war. Eigentlich kein Wunder, schließlich verbringt er die meisten Abende biersaufend außer Haus, bei Cooper, seinem Freund und Chef. Zu seiner adoleszenten Tochter hingegen hat Joe ein sehr inniges Verhältnis.
Joe erfährt, dass seine Tochter Selbstmord begangen hat. Kurze Zeit später wird er verhaftet. Die Leiche seiner Frau wurde im Kofferraum seines Wagens gefunden, mit seinem Baseballschläger erschlagen. Jemand, so scheint es, will ihn offensichtlich reinlegen. Er ist verunsichert, da gibt es offensichtlich Umstände in seinem Leben (und dem seiner Frau), die anders sind, als er annahm. Aber er hat Glück. Sein Anwalt, seine Lieblingsnutte und ein Cousin helfen ihm, zu sich zu finden und den Mörder seiner Frau ´reinzulegen. Denn Joe schwant schon bald, wer da verantwortlich sein könnte. Nur, recht haben und recht bekommen, ist natürlich auch in der Edinburgher Halbwelt zweierlei.
Allan Guthrie hat mit „Kiss her Goodbye“ ein Buch mit einem eigenständigen Duktus geschrieben. Es kommt als klassischer Noir daher, wirkt jedoch durch die Darstellung Joes frisch und modern. Mit dem Zeitpunkt als er vom Selbstmord seiner Tochter erfährt, kippt seine Darstellung im Buch, und aus dem coolen Schläger wird ein erstaunlich bürgerlicher Mann mit bürgerlichen Problemen, der an sich selber zweifelt und insbesondere bei Frauen unsicher agiert. Das weitere Personal des Buches ist eigenwillig und farbenprächtig. Das fügt sich zu einem Lesevergnügen der gehobenen Art, wenngleich die Atmosphäre des Buches mehr der kuriosen Darstellung geschuldet ist und weniger der „Realität“ die geschildert wird.
Allan Guthrie: Kiss her Goodbye.
Hard Case Crime 2005. 223 Seiten. 6,49 €
(bisher keine deutsche Übersetzung)