Ob jetzt „The Madman´s Tale“ die Geschichte eines Wahnsinnigen, eines Verrückten oder doch die von Macbeths Idioten erzählt, soll dahingestellt bleiben. Auf jeden Fall aber entführt John Katzenbach den Leser in die Abgründe einer Welt, wie sie sich Dante kaum anders hätte ausdenken können. Das „Great Western Hospital“ ist eine Verwahranstalt für seelisch Kranke. Wer hier landet, ist den Angestellten ausgeliefert und kann sich, im Gegensatz zu einem Strafgefangenen im Gefängnis, nie sicher sein, ob und wann er wieder ’raus, zurück in die Welt kommt.
Das Buch erzählt eine Geschichte, die lange zurückliegt und es erzählt das Erzählen der Geschichte. Francis Petrel war einst in die Anstalt gebracht worden, weil seine inneren Stimmen übermächtig geworden waren. Dort traf er auf „Peter the Fireman“, der dort gelandet war, um auf seine Zurechnungsfähigkeit überprüft zu werden, nachdem er eine Kirche angezündet hatte. Lucy Jones dagegen war freiwillig in die Anstalt gekommen. Der Staatsanwältin waren Parallelen eines bestialischen Mordes in der Anstalt zu mehreren Morden in Massachusetts aufgefallen.
Zusammen versuchen die Drei zu enträtseln, ob es tatsächlich sein kann, dass ein und dieselbe Person den Mord in der Anstalt und gleichartige Morde in der Freiheit beging. Mag Francis Petrel (wie wohl auch der Täter) auch ein „Madman“ sein, mit luzider Klarheit kann er Menschen und Situationen verstehen und so wird es sein Projekt, sein Thema den Täter zu finden. Er ist es auch, der uns nachträglich die Geschichte erzählt und dabei in den Mahlstrom seines wiedererwachenden Wahns gerät.
Das Buch ist voll mit skurrilen, eigenartigen und faszinierenden Personen, die liebevoll und nicht übertrieben dargestellt werden, Francis Petrel zum Beispiel fällt durch Einsicht, Empfindung und Menschlichkeit auf. [Einzig die gebildete Wortwahl und die raffinierten Satzkonstruktionen des hochintelligenten aber unausgebildeten Mannes werden dem Leser nicht plausibel gemacht.] Und so treibt es den Leser zu sehen, wie das ungleiche Trio in dieser „unwirklichen Umgebung“ die Suche voran bringt und mit den Widrigkeiten, wie Anstaltsleitung und ärztlichem Personal fertig wird.
Katzenbach hat seine „paranormale“ Welt klug strukturiert und versucht den Leser nicht zu bevormunden. Entsprechend ausführlich schildert er eine Welt des Wahns, in der die Gesetze der Normalität nur scheinbar nicht gelten und fügt ein atmosphärisch dichtes Bild zusammen. Manchmal merkt man dem Buch dann an, dass es ungewöhnliche 570 Seiten lang ist. Da wird so manche Psychopirouette gedreht und das Seelenleben der Protagonisten aufgebohrt bis es staubt. Und das in anderen Phasen sehr spannende und gekonnt geschriebene Buch springt und hüpft dann wie ein Pferd, dessen Reiter die Kontrolle verloren hat.
John Katzenbach: The Madman's Tale. Ballantine 2005. 576 Seiten. 5,95 € (deutsch: "Die Anstalt", Droemer/Knaur 2006, dt. von Anke Kreutzer. 748 Seiten. 8,95 €)