Beate Sauer: Der Geschmack der Tollkirsche

Sie haben es toll getrieben, die alten Römer. Mit Federn den Gaumen gekitzelt, bis sich der Magen für die nächste Völlerei entleerte, zur schräg geschlagenen Leier Rom brennen lassen, von Herrn Caligula ganz zu schweigen, wir wollen uns ja nicht mit dem Jugendschutz anlegen. Die Existenz von „Römerkrimis“ ist daher nicht überraschend; dass sie so gut gelungen sind wie „Der Geschmack der Tollkirsche“, schon eher.

Mit „Die Buchmalerin“ hat sich Beate Sauer bereits einmal an einem historischen Krimi versucht, und das voluminöse Werk über das kriminelle Mittelalter verkaufte sich wohl wie geschnitten Brot. Jetzt also noch weiter zurück ins Jahr 95, als die Römer große Teile Germaniens besetzt hielten, u.a. die Eifelgegend, in der unsere Geschichte vorwiegend spielt (wo auch anders, wenn das Buch im Berndorfschen Hausverlag erscheint).

Zugegeben: Die auf dem Umschlag gereichte Information, Protagonistin des Sauerschen Wälzers sei Arria, „eine junge Köchin“, hätte beinahe gereicht, mir vorab den Appetit zu verderben. Historische Krimis wimmeln nur so von schnüffelnden Köchinnen und Köchen, zum verkaufsfördernden Zweck geschaffen, der lesenden Hausfrau leckere Rezepte aus der Vorzeit ans Herz zu legen. Aber, sehr lobenswert, zum Kochen findet Arria, nicht nur jung, sondern auch schon Witwe, kaum Zeit, verdächtigt man sie doch, den Finanzprokurator Cassius anlässlich eines größeren Festes vergiftet zu haben.

Auf mysteriöse Weise gelingt Arria die Flucht aus dem Kerker. Soll sie in die noch unbesetzten Gebiete flüchten oder auf eigene Faust den wahren Mörder ausfindig machen? Letzteres, versteht sich, wir sind schließlich in einem Krimi. Zu dem auch der Gegenspieler gehört, ein gewisser Valerian, früher Zenturio, dann Invalide und mental reichlich down, den die Aufgabe, Arria einzufangen, nur langsam wieder aufrichtet.

Und mit dieser Konstellation ist Sauer tatsächlich etwas sehr Schönes gelungen. Aus den zunächst erbitterten Feinden Arria und Valerian werden nach und nach Verbündete, Gejagte auch, denn die ganze Affaire ist natürlich staatspolitisch brisant, eine Intrige, die auf den Kaiser persönlich abzielt. Am Ende – es ist ein gutes, wie nicht anders zu erwarten – hat sich sogar eine sehr scheue, nicht offen eingestandene Liebesbeziehung zwischen den beiden entwickelt.

So etwas ist im Allgemeinen recht peinlich; bei Beate Sauer aber durchaus goutierbar. „Der Geschmack der Tollkirsche“ erzeugt, je länger man sich durch Germaniens dunkle Wälder und Roms noch dunklere Ränkespiele bewegt, einen angenehmen Lesesog, fast so wie früher bei Felix Dahn oder ähnlichen Schmökereien. Da huschen Chatten (nee, das ist jetzt nicht falsch geschrieben; war ein germanischer Volksstamm) verbotenerweise durch den Limes und verschwinden zwischen deutschen Eichen, heißt Trier Augusta Treverorum und Wiesbaden nicht Aquae Anabellarum, brennen auch schon mal die von unechten Legionären heimgesuchten Dörfer der Treverer und verbirgt sich das Böse hinter furchterregenden Masken.

Machen wir es kurz: „Der Geschmack der Tollkirsche“ ist beste Unterhaltung. Solide Krimistory, die nüchternen Fakten der Geschichtsschreibung geschickt zu lebendigen Bildern montiert, rascher Wechsel aus den Hütten in die Paläste und retour, mit Action aufgebrezelte Wer-wars-Spannung. Ob es nun „wirklich so war“, ist eine müßige Frage. Wir wollten uns nur gut unterhalten lassen – und das konnten wir hier.

Beate Sauer: Der Geschmack der Tollkirsche. 
Grafit 2007. 477 Seiten. 18,90 €

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