Dieses ist die dritte Besprechung eines der Kandidaten für den Edgar des Jahres 2007, Kategorie „Bestes Taschenbuch“.
Paul Levine scheint mit seiner „Solomon vs. Lord“ bezeichneten Serie den Geschmack der amerikanischen Krimikritiker zu treffen. Nachdem der erste Band 2006 auf der Nominierungsliste des „Macavity Awards“ war, findet sich der Folgeband „The Deep Blue Alibi“ jetzt auf der Kandidatenliste für der Edgar. Nun warum auch nicht ? Levine schreibt flott, verfügt über viel Humor, bindet über eine Nebenfigur auch sprachlichen Witz ein und verwendet für Humorkrimis ein eher ungewöhnliches Setting, nämlich den Gerichtssaal.
Doch von Anfang an: Bevor sich „The Deep Blue Alibi“ zu Solomon vs. Lord entwickelt, verbringen die Beiden einen gemütlichen Nachmittag am Strand, als plötzlich eine führerlose Yacht an ihnen vorbei auf den Strand aufläuft und zerschellt. Aus dem Wrack wird schwer verletzt Victoria Lords „Onkel“ und eine Leiche mit einer Harpune in der Brust geborgen.
Und es kommt wie es kommen muss: Der „Onkel“, eigentlich nur der frühere Geschäftspartner ihres Vaters, wird des Mordes angeklagt und Solomon und Lord sind mit seiner Verteidigung beauftragt.
Dann jedoch passiert im Grunde viel Altbekanntes, und im Verlauf der ersten Hälfte des Buches ist ein Blick auf das Cover immer wieder hilfreich. Ja tatsächlich, Justitia hat ihren angestammten Platz verlassen und ist in den Tiefen des Meers versunken. Offensichtlich handelt es sich nicht um den vertrauten Erstling der Serie, sondern um ein anderes Buch.
Zu ähnlich erscheinen einem da die beiden Bücher und trotz aller Finten und Subplots zu vorhersehbar wirkt die Geschichte. Das kleine Wörtchen „versus“ als dominierendes Prinzip der Serie ist so dominant, dass es nervt; Lord kann sich nicht entscheiden, ob sie Solomon verlassen soll und wenn ja, ob nur beruflich oder auch privat. Solomon dagegen fällt immer noch in seinen Macho-Prolo-Dominator Stil und bekräftigt damit genau ihre Unsicherheit.
Nichts desto trotz wäre „The Deep Blue Alibi“ für sich alleine betrachtet, ein ordentliches und aus Krimilesersicht vielleicht sogar besseres Buch als „Solomon vs. Lord“. Nicht nur dass die Beiden mit Ihrem Fall und ihrer Beziehung befasst sind, sondern sie arbeiten, jeder für sich, auch noch an ihren Wurzeln, an ihrer Vergangenheit. Victoria Lord hat es niemals verwunden, dass ihr Vater bei seinem Selbstmord keine für sie bestimmte Nachricht hinterließ, und Steve Solomon wundert sich, warum sein Vater sich aus dem Richteramt werfen ließ, obwohl es doch erkennbar war, dass der Zeuge, der ihn damals in einem Korruptionsfall belastete, log.
Es ist dann dieser Nebenstrang, der das überzeugendste Stück Krimi in diesem Buch liefert und uns lehrt, welche Bedeutung im amerikanischen Rechtssystem die rechte Auswahl der Geschworenen hat und wie man diese möglicherweise beeinflussen könnte. Er zeigt, dass Steven Solomon nicht nur ein in der Pubertät stecken gebliebener Mittdreißiger ist, sondern dass er auch ganz seriös Spuren deuten kann
Hätte man „Solomon vs. Lord“ noch phasenweise als Buch der stillen Revolte deuten können, bleibt einem diese Deutung bei „The Deep Blue Alibi“ verwehrt und auch Solomons Verhalten ist nur als Clownerie zu verstehen. Denn letztlich, so müssen die Beiden lernen, haben ihre Eltern – natürlich – alles richtig gemacht.
Paul Levine: The deep blue alibi.
Bantam 2006. 496 Seiten. 5.99 €
(noch keine deutsche Übersetzung)