Drei Krimis in der Schnellkritik. Nummer eins und Nummer zwei haben nicht nur den Verlag, sondern auch das Thema gemein. Nummer zwei und drei sind Inselromane und stammen von „Monopolisten“. Und alle drei handeln von Rache.
Vor Zighunderten von Jahren haben die Schweizer ein bisschen Freiheitskrieg gemacht, einen Rütlischwur geleistet; seitdem leben sie auf einer Insel der Seeligen und lassen es, auch in ihren Krimis, eher geruhsam angehen. So wie Ernst Solèr, dessen Polizeiheld Staub jetzt seine zweite Ermittlung glücklich hinter sich gebracht hat. „Staub im Wasser“ erzählt von dubiosen Finanzgebaren und einem Rachefeldzug, bei dem drei Treuhänder buchstäblich ihre Köpfe verlieren und ein vierter vielleicht auch noch, wenn Hauptmann Fred Staub den Täter nicht rechtzeitig fasst. Stoff für Turbulenzen. Doch, siehe oben, Solèr schreibt seine Geschichte ohne überflüssigen Aktionismus, sein Ermittlerteam drängt sich nicht in den Vordergrund und auch der Blick hinter die Kulissen der legendären Schweizer Finanzlandschaft ist eher lakonisch als entlarvend. Ein wenig Humor würzt den kurzweiligen Text, der seine Aufgabe, gut und spannend zu unterhalten, zur Zufriedenheit erfüllt.
Viele Kilometer nördlicher hatte Verlagskollege Jógvan Isaksen eine verblüffend ähnliche Plotidee. Auch in „Option Färöer“ geht es um betrügerische Anlageberater und Rache, sterben die Schuldigen wie Fliegen, aber, ach, wie hektisch das alles. Protagonist Martinsson, Journalist, erinnert ein klein wenig an Malets Nestor Burma: hartgesotten und moralisch nicht ganz astrein, immer mit dem rechten Riecher und den unglaublichsten Zufällen auf seiner Seite. Nur: Lag die Kunst Malets darin, uns bei Gelegenheit der Burmaschen Kapriolen Paris aus dem Blickwinkel seines zynisch-resignierten Helden zu zeigen, so enthält uns Isaksen „sein“ Färöer weitgehend vor. Dort scheint man sich mit Vorliebe in „Bierclubs“ zu prügeln oder Fernsehpredigern zu huldigen. Kein Wunder, dass Isaksen seinen Fall bis nach Italien ausdehnt, Vatikan, Geheimlogen, Mafia werden bemüht und auch ein Abstecher ins Schweizer Bankenparadies darf nicht fehlen. Überzeugen kann das alles dennoch nicht. Das „Alleinstellungsmerkmal Färöer“ wird verspielt, Schauplatz könnte auch ein gänzlich anderer sein. Schade. Hoffen wir auf den dritten Fall.
Auch Gran Canaria ist eine Insel. Und José Luis Correa dort – wie Isaksen auf Färöer – Monopolist in Sachen Krimi. Ricardo Blancos zweiter Fall beginnt wie der tausendste Serienmordaufguss – brave Bürger werden, in Reizwäsche gekleidet, tot aufgefunden. Doch ganz schnell entwickelt sich ein origineller, so gar nicht nach Klischee schmeckender Krimi. Correas Geheimnis: Er kann schreiben. Unaufdringlich, häufig nur mit wenigen Sätzen gelingt ihm ein Soziogramm seiner Heimat, werden Figuren vom erfolglosen Vertreter über den alten Mann im Angesicht des Todes bis zur traumatisierten Anwältin skizziert, Typen halt in einer normalverqueren Welt. Der Fall selbst ist auf erschreckende Weise logisch und aktuell: Frauen als anscheinend seelenlose, beliebig zu gebrauchende Lustobjekte. Correas Kunst – und es ist eine – besteht darin, das bekannte Schema des Detektivromans glaubwürdig und intelligent mit Leben zu füllen. Da wird geprotzt und räsonniert, rasch überblickt und genau betrachtet – assoziativ eins aus dem anderen, eine Gesellschaft zwischen Massentourismus und gestrandeten Bootsflüchtlingen. Flüssig mit Widerhaken. Gibt’s nicht? Gibt’s. Spannend obendrein.
Ernst Solèr: Staub im Wasser.
Grafit 2007. 222 Seiten. 8,50 Euro
Jógvan Isaksen: Option Färöer.
Grafit 2007 (Original „Gráur Oktober“, 1994, deutsch von Christel Hildebrandt).
256 Seiten. 8,95 Euro
José Luis Correa: Tod im April.
Unionsverlag (metro) 2007 (Original „Muerte en abril“, 2004, deutsch von Verena Kilchling).
252 Seiten. 9,90 Euro
„Insel der Seeligen“? ‚tressante Rechtschreibung. Ich vermute ein Zitat von Schmidt?
Nee,nicht Schmidt. Obwohl der über die Schweizer ja auch einiges Nichtnette gesagt hat. Unverzeihlicher Schreibfehler, eigentlich, aber ich lass ihn stehen, weils ja der Sache eine aparte SUBEBENE gibt, ja? Selig, seelig. Die Schweiz das Seelchen Europas. Hat was.
bye
dpr
Nicht zu vergessen Carl Seelig. Wichtiger Mann, das.