Krimistreik

Vor Wochenfrist noch präsentierte die „Deutsche Krimilesergewerkschaft“ stolz ihr einmillionstes Mitglied – jetzt macht sie ernst. Wie die Nachrichtenagenturen soeben vermelden, hat die DKLG – Wahlspruch: „Mehr Qualität im Krimi! Dafür kämpfen wir!“ – zu einem unbefristeten Streik ihrer Mitglieder aufgerufen.

„Wenn uns diese doofen Verlage weiterhin mit ihrem Mist zuschütten, können Sie sehen, wer das ganze Zeug kauft! Wir jedenfalls nicht!“ Starke Worte des 1. Vorsitzenden der DKLG, Herrn Oswald Bullenreuther, den wir in einem Telefoninterview zu den näheren Umständen der Aktion befragen konnten.
Hinternet: Herr Bullenreuther, warum plötzlich Streik? Was passt Ihnen denn nicht am deutschen Krimiwesen?

Bullenreuther: Na, da kommt einiges zusammen. Wie Sie vielleicht wissen, haben wir vorigen Monat eine Petition an alle Verlage geschickt, in der wir eine bessere Bezahlung der ÜbersetzerInnen fordern. Kann ja wohl nicht sein, dass die armen Luder nicht mal auf ein Putzfrauengehalt kommen, ja? Wir haben uns in dieser Petition bereiterklärt, einen sogenannten „Unterstützer-Euro“ zu zahlen, wenn die Verlage nachweisen, dass dieses Geld wirklich auch den Bedürftigsten im Buchverwertungskreislauf zu Gute kommt. Die Antwort der Verlage: keine!

Hinternet: Entschuldigung, Herr Bullenreuther, aber ist das nicht Utopie? Ist der Normalleser wirklich bereit, mehr Geld für mehr Qualität zu zahlen?

Bullenreuther: Dumme Frage! Natürlich! Das hat doch unsere Aktion „Autorenpfennig“ klar bewiesen! Jeder Krimi, auf dem ein Sticker „Dieses Buch wurde vom Autor, von der Autorin mit größter handwerklicher Sorgfalt hergestellt“ klebt, wird von uns mit 5000 € bezuschusst, die direkt an den Schöpfer, die Schöpferin des Werkes abgeführt werden. Natürlich prüfen wir, ob die Aussage auch wirklich zutrifft.

Hinternet: Und das funktioniert?

Bullenreuther: Im Prinzip schon. Wir haben den Betrag inzwischen einmal ausgezahlt.

Hinternet: Einmal nur? An wen?

Bullenreuther: Das möchte ich hier nicht sagen.

Hinternet: Warum nicht?

Bullenreuther: Kein Kommentar.

Hinternet: Gerüchte besagen, der Betrag sei auf das Konto einer Ihnen persönlich bekannten Wiesbadener Autorin…

Bullenreuther: Üble Verleumdungen! Kehren wir doch lieber zum eigentlichen Thema zurück! Wir haben die Schnauze voll! Wo man hinguckt: Pfusch! Die Verlage erteilen Übersetzungsaufträge nach dem Kostenminimierungsprinzip, wer am wenigsten verlangt, darf Hand anlegen. Und die Folgen? Kaum noch zu goutierendes Dumm- und Falschdeutsch! Da ist von den „bestverdienendsten Beamten“ die Rede, da wird „in 2002 realisiert, dass sich eventuell ein Verbrechen an Joes Gottvater zugetragen hat“ – dass „eventually“ mitnichten „eventuell“ heißt und „godfather“ niemals „Gottvater“ – geschenkt. So etwas wollen wir nicht mehr lesen! Deshalb unser Angebot.

Hinternet: Auf das die Verlage nicht reagiert haben. Warum eigentlich nicht?

Bullenreuther: Ich kann nur spekulieren. Mein Verdacht: Deutsche Verlage lassen Krimis nicht mehr von deutschen ÜbersetzerInnen übertragen, sondern – von chinesischen GermanistikstudentInnen! Ist ja auch viel billiger! Wir haben nichts dagegen, wenn im Zeitalter der Globalisierung gewisse Produktionssegmente der deutschen Krimiindustrie ins Ausland verlagert werden. Natürlich kann man in Bangladesh Plots kostengünstiger herstellen als im Hochlohnland Bundesrepublik Deutschland. Und niemand zieht Spannungsbögen mit geringeren Stückkosten als die indischen Arbeiter in den „suspense factories“. Aber jetzt auch die Übersetzungen aus dem Ausland? Das aktzeptieren wir nicht mehr! Wir streiken!

Hinternet: Mit einer Million MitgliederInnen ist die DKLG eine Macht…

Bullenreuther: Sie sagen es. Wir werden die Verlage in die Knie zwingen! Wäre nicht das erste Mal! Dan Brown haben wir schon aus den Buchhandlungen boykottiert, Peter J. Kraus mit Mahnwachen vor deutschen Verlagshäusern zu einem neuen Vertrag verholfen, Anne Chaplet wird jetzt von book on demand verlegt und der neue Krimi von Astrid Paprotta endlich mit Lesebändchen ausgeliefert – all das haben die LeserInnen erreicht! WIR sind die eigentliche Macht im Krimistaat!

Hinternet: Aber je länger der Streik dauert, desto schlimmer werden die Entzugserscheinungen bei den Spannungssüchtigen…

Bullenreuther: Kein Problem! Wir versorgen uns derweil kostenlos bei alte-krimis.de mit gutem Stoff. Und lesen wieder mehr Sekundärliteratur! →„Krimijahrbuch 2007“ etwa, sehr zu empfehlen! Oder die neue Krimizeitschrift →makro scoop – das hält uns für ’ne Weile über Wasser. Wir sind optimistisch!

Hinternet: Herr Bullenreuther, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

3 Gedanken zu „Krimistreik“

  1. Du lässt dir von irgend einem Oswald Bullenreuther 5.000 Euro überweisen? Woher kennst du den eigentlich? Was geht hier ab? Weiß Georg davon? Bist du etwa SO EINE?

    furchtbar enttäuscht
    dpr

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