Denise Mina: Field of Blood

Glasgow 1981 scheint räumlich wie zeitlich nahe bei uns zu sein und doch erleben wir es in Denise Minas Buch „Field of Blood“ als kulturell sehr weit weg. Das Buch gibt ein beredtes Zeugnis von der Kunst seiner Autorin. Da ist die Szenerie über der man meint, wie über einem Schaukasten zu sitzen und beobachten zu können wie Patty Meehan, aus der ärmsten katholischen Arbeiterschicht kommend, der bürgerliche Konventionen ihrer Arbeitsumgebung kaum weniger fremd vorkommen als einer Frau, die am Hindukusch aufgewachsen ist. Der Leser meint förmlich zu sehen, wie in Glasgow und seiner Umgebung (vor dem Ölboom Schottlands) die Schwerindustrie verfällt und die gesamte Region in einem religionsdevoten Sumpf feststeckt.
Und dann ist da Patty Meehan selber, eine knapp 18jährige junge Frau, als Laufbursche bei der Zeitung arbeitend und davon träumend, wie wohl die meisten Laufburschen, für die Zeitung zu schreiben. Sie ist eine Verlorene zwischen den Welten: Mit der kleinbürgerlichen katholischen Welt der irischen Einwanderer kommt sie nicht zurecht und mag doch nicht mit ihr brechen, und die Regeln der (männerorientierten) bürgerlichen Zeitungswelt scheinen ihr noch fremd. Patty ist außergewöhnlich fett und deswegen voller Selbstzweifel.

Der Fund der Leiche eines 4jährigen Jungen ist der Ausgangspunkt einer krisenhaften Zuspitzung im Leben Patty Meehans. Zwei 10jährige Jungen werden beschuldigt, den kleinen Jungen nicht nur getötet, sondern zuvor auch misshandelt zu haben. Es stellt sich heraus, dass einer der Beschuldigten ein Cousin des Verlobten von Patty ist. Als die Zeitung einen Artikel mit der Geschichte der Jungen bringt, fühlt sich ihre Umgebung von Patty verraten. Von der Familie misstraut, von der Polizei verachtet, am Arbeitsplatz kritisch beäugt und mit dem Bedürfnis zu rebellieren, macht sie sich auf zu sehen, warum und wie die Jungen sich an ihr Opfer heran machten und es entführten.

Dabei stößt sie auf Ungereimtheiten und auf einen zweiten ähnlichen Fall, der sich am Tag des Unglücks das achte Mal jährte und für den jemand verurteilt wurde, der als Täter nicht recht überzeugend wirkt. Aber wer hört schon auf Patty Meehan, die nicht nur eine unsichere junge Frau ist, sondern die zudem den Namen mit einem bekannten Exkriminellen gemein hat.

Dieser Pat Meehan, eigentlich ein Kleinkrimineller, wurde Ende der 60er Jahre für einen Mord verurteilt und kam später aufgrund der Arbeit eines investigativen Journalisten frei, welcher zeigen konnte, dass Meehan von der Polizei Beweismittel untergeschoben wurden. Immer wieder schiebt Mina zwischen ihrer Erzählung der jungen Meehan kurze Stücke der Geschichte des älteren Meehan. Diese Unterbrechungen irritieren und sorgen doch für Spannung, denn natürlich wartet man auf die elegante Verbindung zwischen den beiden Geschichten. Am Ende wird sich so mancher Leser gefragt haben, ob denn diese Einschübe überhaupt notwendig waren.

Auf jeden Fall zeigen sie sehr schön die Qualität, mit der Mina ihren wunderbaren Text ordnet und wie unterschwellig sie „Fakten“ schafft. Denn grundsätzlich stellt sich natürlich die Frage, warum denn der Leser, warum denn eine junge 18jährige Frau daran zweifeln sollte, dass die Polizei korrekt arbeitet. Hier hilft die Geschichte des älteren Meehan, denn sie beweist eindeutig, dass die Polizei gelegentlich mit untergeschobenen Beweismitteln arbeitet.

Am Ende, wenn die junge Patty Meehan das Rätsel mit gelöst und überlebt hat, kann sie gereift ins Leben zu treten und so werden wir sie wieder sehen, wenn der zweite Teil ihrer Geschichte Denise Mina eine Nominierung für den Edgar eingebracht haben wird.

Denise Mina: Field of Blood. 
Hachette 2006, 456 Seiten. 7,80 €
(Erscheint im August als “Der Hintermann”, Droemer/Knaur, 528 S. 8,95 €)

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