Eleanor Taylor Bland, die Autorin mit dem ausgeprägten sozialen Gewissen, hat in „A Dark and Deadly Deception“ die Familie im Visier. Weiße, schwarze, „patchwork“, intakte, kaputte, mit Kinder, „ohne Kinder“, mit familiären Banden und ohne solche: Sie dekliniert die Varianten von Familie und ihre sozialen Bezüge durch.
Es ist März und für die Polizei gibt es wenig zu tun in Lincoln Prairie. Für Marti MacAlister die Gelegenheit ihr Lieblingsprojekt zu verfolgen: Die Beschäftigung mit alten ungelösten Fällen. Diesmal ein Skelett, das Arbeiter in einem verborgenen Raum eines alten Gebäudes gefunden hatten. So richtig Spaß macht Marti und ihrem Partner „Vic“ Jessenovic dieser Fall allerdings nicht, erst recht nicht als sich herausstellt, dass die unbekannte Leiche 60 Jahre verborgen war und es keinerlei Informationen zu ihrer Identität und dem Gebäude gibt, in dem sie gefunden wurde.
Da ist es dann direkt eine Erlösung für die beiden Polizisten, als eine „frische“ Leiche erschlagen in dem durch die Schneeschmelze momentan zu einem reißenden Strom angeschwollenen lokalen Fluss gefunden wird. Es handelt sich um eine Schauspielerin, die für die Dreharbeiten eines B-Movies zum ersten Mal in ihrem Leben in Lincoln Prairie war. Ihr Familienschmuck ist verschwunden und auch hier gibt es keinerlei Hinweise auf den Täter.
Nun ja, soweit so gut. Die Idee, zwei Verbrechen zusammen zu montieren, die nichts miteinander zu tun haben und von denen eines in der Gegenwart stattfindet (und gewissermaßen nach „vorne“ erzählt wird) und das zweite sich in der Vergangenheit zugetragen hat, ist erst einmal ganz nett. Der Leser kann natürlich sicher sein, dass Marti und ihr Partner die Fälle lösen werden und sich ganz auf die Geschichte und den Blick für die soziale Realität konzentrieren. Etwa wenn der Patriarch der rumänisch-orthodoxen Kirche nach Amerika reist, um Geld für die verwahrlosten und elternlosen Straßenkinder Bukarests zu sammeln und er durch die Strasse Pittsburghs geht, wo er auf ganz ähnliche Kinder trifft.
Wer Bland liest, weiß, dass er auch eine ordentliche Ladung Romantik bekommt. Romantik, die durch den Blick auf die sozialen Verhältnisse im Gleichgewicht gehalten wird. Aber hier hat sie nicht nur „ihr“ Familienthema, welches schon für sich „romantikgefährdet“ ist (oder doch zumindest von ihr so ausgelegt wird) und einen Patriarchen, der seinen herzenswarmen Auftritt zum Ende des Buches hat, sondern darüber hinaus muss Martis Familie auch noch mit der Tatsache eines deutlich erhöhten PSA-Werts bei ihrem Mann und den daraus resultierenden Ängsten umgehen.
Im Nachherein entpuppt sich auch die Idee der zwei Fälle als gar nicht so leicht zu handhaben. Ständig wechselt die Aufmerksamkeit des Teams zwischen den Fällen hin und her; der Leser fühlt sich nicht so sehr in die Auflösung gezogen wie sonst bei Bland.
Ein Buch mit gewissen Schwächen also. Mit einer starken zweiten Hälfte, denn gute Auflösungen und Rätsel bekommt Bland allemal hin, wird es, da bin ich sicher, „romantisch“ geneigten Krimilesern gut gefallen.
Eleanor Taylor Bland: A Dark and Deadly Deception.
St. Martin`s Minotaur 2005. 272 Seiten. 20 €