Bernd Franzinger: Jammerhalde

Die Pfälzer haben kaum Freunde in dieser Welt. Gründe dafür gibt es reichlich, einer davon: der Pfalzkrimi, die Roman gewordene Maul- und Klauenseuche, das Ekelfleisch der Literatur. Leider ist es jetzt dem neuesten Erguss des Kaiserslauterner Autors Bernd Franzinger gelungen, auf dem Schreibtisch des Rezensenten zu landen.

„Jammerhalde“ heißt das neueste Werk. Und sofort fragt man sich: Oh, ist nicht die ganze Pfalz eine Jammerhalde? Hat Franzinger es endlich begriffen? Nein, hat er nicht. In seinem Roman ist mit „Jammerhalde“ ein Waldgebiet in der Nähe von Kaiserslautern gemeint. Dort hat eine ausländische Soldateska zu Zeiten des Dreißigjährigen Krieges die geflohenen Bewohner der Stadt gestellt und massakriert. Und jetzt, in der Neuzeit, geht der Spuk von vorne los. Man findet eine geköpfte Leiche – und noch eine – und noch eine – und wenn der Autor nicht am Ende ein Einsehen hätte, ginge das wahrscheinlich brav so weiter.

Wieder ermittelt Franzingers Serienheld, der Kommissar Tannenberg. An seiner Seite u.a. ein Gerichtsmediziner, der bei einer Wahl der „10 nervigsten Romanfiguren“ große Chancen auf eine Podiumsplatzierung hätte. Auch Tannenbergs Vater, ein Amateurdetektiv, nervt, ja, einmal unter uns: eigentlich nerven sie alle.

Vor allem aber nervt der Fall an sich. So recht voran geht es nämlich nicht. Auch dass bereits in den Siebziger Jahren in der Jammerhalde gemordet wurde, bringt da keine Hilfe, ja, dieser Strang der Handlung ist vollkommen überflüssig und wird irgendwann auch nicht weiter verfolgt. Irgendwie bringt es Tannenberg fertig, den Kreis der Verdächtigen einzukreisen – man frage bitte nicht, wie. Eine Art historischer Verein gerät ins Visier der Polizei, eine schöne Frau Doktor verdreht Tannenberg den Kopf, der ihm beim ersten Rendezvous von böser Hand eingedellt wird. Tja, und jetzt geht’s erst richtig los.

Womit? Mit dem Ende natürlich. Nicht einmal Pfälzer lieben Krimis, in denen der Täter nicht entlarvt und festgenommen wird. Aber was soll Franzinger machen? Richtige Beweise, so etwas wie Durchblick hat sein Tannenberg nicht. Also ruft er alle Verdächtigen zusammen und, siehe da, einer gesteht. Das Motiv ist, mit Verlaub, von einer Blödheit, die selbst den an allerhand erzählerische Waghalsigkeiten gewöhnten Rezensenten für einen Moment sprachlos macht. Bis er sich erinnert: Aha, ein Pfalzkrimi. Also bitte nicht auf irgendwelche Logik hoffen. Das kaufen sich die Benachteiligten jenseits der Grenze und stellen es in den Bücherschrank, neben all die anderen Franzingers. Dort stehen sie gut.

Bernd Franzinger: Jammerhalde. 
Gmeiner 2007. 324 Seiten. 9,90 €

6 Gedanken zu „Bernd Franzinger: Jammerhalde“

  1. und die anderen nicht … ? aber mir gefällt sie auch … so als rezension an sich. sie könnte in der reihe „SCHÖNE verrisse“ erscheinen.

    wo IST dpr eigentlich … mails werden nicht beantwortet … ich könnte hier in brandenburg verloren gehen, und er würde es nicht mal merken

    *feuert den holzofen an
    **aus den augen, aus dem sinn für dpr?

  2. @Anobella: Dpr zur Zeit im Stress *hat noch keinen Beitrag für morgen! — aber thanx dass du Axel(schwer beleidigt) und Georg (sarkastisch) abgebügelt hast. Äh, Mail beantworte ich demnächst
    *viel zum die Ohren

    bye
    dpr

  3. Sehr geehrte Damen und Herren,

    ihre Kritik über Franzingers Jammerhalde habe ich gelesen, da ich
    Kaiserslautern lebe.
    Franzingers Stil finde ich gruselig. Ich habe eine Parodie geschrieben, die
    nur ein wenig übertreibt.

    Vielleich gefällt sie Ihnen.

    Mit den besten Grüßen und einen schönen Sonntag

    Stefan Gleser

    Jammerlappen
    Nach Jammerhalde von Bernt Franzinger

    Mit rehscheuer Begierde sog Kriminalhauptkommissar Wolfram Tannenberg den betörend femininen Duft ihres naturblonden Haares ein, während unterdessen Dr. Johanna von Hohnecken voll adelsstolzer Fraulichkeit in der Nase popelte. Flachlegen, flachlegen, aber wie? zweifelte und hämmerte es unaufhörlich hinter Tannenbergs gedankenblasser Stirn. „Frau Doktor von Hohnecken“, stöhnte der Kommissar , „in ihrem eleganten Luxus-Reisebus, der überhaupt nicht protzig wirkt, darf man nicht rauchen. Als leitender Hauptkommissar schlussfolgere ich daraus messerscharf, dass man auch nicht pinkeln darf.“ Dann löste sich ein Seufzer aus dem innersten seines Brustkorbes. „Aber ich muss mal“. „Verpiß dich, Alter“, flötete lächelnd die promovierte Historikerin zurück und trat voll in die Eisen. Verpiß dich, Alter, sinnierte der Hauptkommissar. Ich will pinkeln und sie sagt, ich soll mich verpissen. Welch beeindruckendes, starkes Wortspiel. Eben Adelskultur. Mit diesen Gedanken und voller Blase stapfte er in den Pfälzer Wald. Eine Minute später sprudelte es aus Tannenberg heraus. „Hanne, wir Tannenbergs haben seit 1673 im Pfälzer Wald in tiefen Zügen den herbwürzigen, harzigen Nadelholzgeruch in sich hineingezogen. Und jetzt klemmt mein Reissverschluss.“ „Ich husche, mein armes, einsames Wölfchen“, säuselte Johanna von Hohnecken schmunzelnd. Kurz darauf hörte man sie fluchen. Ihr naturblondes Haar hatte sich in Wolfram Tannenbergs Reissverschluss verklemmt. So fuhren sie in Pfälzer Tracht weiter, wobei sie wie schlafende Engel aussahen. In Johannas naturblonden Haar baumelte süffisant lächelnd eine attraktive Polizeihose. Wolfram sass nur in Unterwäsche mit aufgemalten Kartäuserklößen bekleidet neben ihr. Die aufgemalten Kartäuserklöße waren seine Marotte. Er kultivierte sie nun schon seit vielen Jahren Genau genommen war der Auslöser für diesen inzwischen zu seinem Markenzeichen avancierten Tick sein hypersensibles Hundmädchen Kurt gewesen, das ihn wegen einer missglückten Metapher verlassen hatte. Unterwegs überfuhr Johanna von Hohnecken en passant ein paar zotige, derbe, wettergegerbte Gesellen, auf derer speckiger Stirn der Schweiss stand. „Das sind Arbeiter, die nicht devot zur Seite weichen“, erläuterte schmunzelnd das liebe morgenmuffelige Wölfchen. „Auf zum Jammerlappen“, jauchzte Johanna plötzlich, „vielleicht finden wir endlich eine Stilblüte statt immer nur doofe Lilien.“

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