Nick Stone: Mr. Clarinet

Es ist eine lukrative Aufgabe: 10 Millionen Dollar, wenn Max Mingus das entführte Kind findet und lebend zurückbringt, oder 5 Millionen Dollar, wenn er das tote Kind findet und weitere 5 Millionen, wenn er den Täter bringt. Nicht, dass er meint, das Geld wirklich zu brauchen, aber so richtig rosig scheint sie nicht auszusehen, die Zukunft des Expolizisten, Ex-Privatdetektives und Exknackies, frisch aus der Haft entlassen.

Letztendlich ist es seine Frau, die ihn überzeugt den Job zu übernehmen. Genauer gesagt ihre Figur, die ihm im Traum erscheint, denn sie selber ist kurz vor seiner Entlassung an einer Hirnblutung verstorben und hat ihn etwas haltlos zurückgelassen.

Also macht er sich auf nach Haiti, 1995: Das Land ist vor kurzem von den USA „befreit“ worden und UN-Truppen stehen für Ruhe und Ordnung ein. Allein auf den Straßen merkt man davon nichts, so viel Amoral, Verkommenheit und Armut hat sich auch Max nicht vorstellen können.

Randomly spaced, between blocks of shacks, were areas that hadn’t yet been claimed and build on, where the ground was a cross between mammoth garbage dump and a snap shot of World War I killing fields, post-conflict – broken, muddy, blasted to fuck, strewn with death and despair.

Als erste sklavenfreie Republik der Welt gegründet und heutzutage ärmer als jedes andere Land der westlichen Hemisphäre. Das Land als Ganzes und die meisten seiner Bewohner sind abhängig von Gönnern, die das Überleben sichern. Welcher Kontrast zum Haushalt seines superreichen Auftragsgeber und dessen archaischen Umgang mit den Bediensteten, die kein Einkommen, sondern Unterkunft und zu Essen erhalten

Auf Schritt und Tritt trifft Max auf den Voodoo Kult. Einer undurchsichtigen Melange von religiösen Vorstellungen, psychodelischen Riten und Versuchen die Zukunft, zum eigenen Vorteil zu manipulieren, welche die Menschen Haitis und ihre Seelen fest im Griff hat.

You know how this country runs on superstition ? We feed the dead better than we feed ourselves here. The dead rules this land.

„Mr. Clarinet“ ist ein großes Leseereignis, das sich zwischen Weltuntergangsstimmung in einem zerfallenen Land, spannender Darstellung der Gewaltbereitschaft im Sumpf der Armut und euphorisierender Stimmung des Voodoo Kultes bewegt. Formal deckt es, wie viele zeitgenössische Thriller, die zeitlich nach vorne erzählte Geschichte und den rückwärtigen Bezug der Detektivgeschichte ab. Es überzeugt von Aufbau, Darstellung und erzählerischer Qualität (siehe erstes Zitat) und auch seine Personen haben die nötige Glaubwürdigkeit und die literarische Exaltiertheit: Für einen Erstling hat es geradezu eine atemberaubende Qualität.

Es ist eines der wenigen Bücher, welches Krimipreise beiderseits des Atlantiks gewann und endlich auch ‚mal wieder ein Buch, das in Deutschland erschienen ist. Das Buch wird hiermit unbedingt empfohlen: „Mr. Clarinet“ (deutsch: Voodoo) ist ein Buch, das noch lange im Kopf des Lesers nachhallt.

Nick Stone: Mr. Clarinet. 
Penguin 2006. 576 Seiten. 9,45 €
(deutsch: “Voodoo”, Goldmann Verlag 2007. 608 Seiten. 9,95 €)

8 Gedanken zu „Nick Stone: Mr. Clarinet“

  1. man weiß ja zu anfang des lesens (genitiv-reminiszenz an herrn p.) nie, wer die rezensionen geschrieben hat. bei dieser dachte ich erst, es sei dpr, typisch, aber dann kamen die englischen passagen und dpr kann ja kein englisch …

    *lacht
    **täuschte sich

    w a r u m liest du eigentlich so exzessiv englisch?

    *liest a l l e wtd-rezensionen

  2. Liebe Anobella,

    „w a r u m liest du eigentlich so exzessiv englisch?“

    mit Blick auf die Besprechung nächste Woche, könnte ich argumentieren, dass viele Bücher sich nicht ohne Probleme übersetzen lassen.

    Für mich ist aber auch ein Punkt, dass ich Bücher im Englischen bewusster lese.

    Beste Grüße

    bernd

  3. Ich lese auch die meisten englische Bücher im Original. Be der Übersetzung geht einfach zuviel verloren bzw. manche Übersetzungen sind einfach furchtbar schlecht.

  4. Es gibt für Originalsprachleser Ellroyscher Bücher ein Glossar. Neben einigen Wörtern Polizeisprech, finden sich dort viele Begriffe des Jiddischen/ Deutschen – wie um alles in der Welt, will jemand solche Wörter und die mit ihnen transportierte Bedeutungen ins Deutsche übertragen ?

    No Way.

    Beste Grüße

    bernd

    PS Und Anobella: Nein, ich bin keine Doppelzunge.

  5. Ellroy allerdings habe ich in einer Übersetzung gelesen. Der Slang war mir wirklich zu hart. Ist dieses Glossar im Anhang der Original-Bücher zu finden?

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