Lose Gedanken zum Humor in Krimis

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Ganz disparate, sehr spontane, nicht weiter verfolgte Gedanken zu „Krimi und Humor“, dem Thema von Ludgers →„2. Krimiblog-Karneval“. Wer’s seriöser haben möchte, sei gleich an den →Heiligen Vater verwiesen.

Humor ist, wenn ich lachen muss. Über so etwas z.B. nicht:

„Bitte, bitt, bring mich nicht um!“, flehe ich ihn an und werfe mich zu seinen Füßen.Igitt, ein Transvestit! Der Killer ist ein Transvestit! Er läuft mit schäbigen Frauenschuhen herum. „Ich habe mit der ganzen Geschichte nichts zu tun! Lassen Sie mich gehen! Ich wollte hier nur ein paar Pornohefte angucken. Ich bin nämlich schon seit fünfundzwanzig Jahren verheiratet, wissen Sie?“ „Du ekelhaftes, perverses Schwein!“

Aus Osman Engins „Tote essen keinen Döner“, einer →Rezension von Lars Schafft entnommen, der im Gegensatz zu mir über so etwas lachen kann. Womit wir beim Hauptproblem wären: Wir lachen alle anders.

Und weiter: Lachen kann ich auch nicht über „feinfühligen, kultivierten, akademischen Humor“. Oder „Situationskomik“. Das Allerschlimmste aber ist jenes Lachen, das einem „im Halse stecken bleiben“ soll. Igitt.

Und worüber lache ich? Na, z.B. über alles, was unter die Gürtellinie geht. Jetzt nicht einmal wortwörtlich und irgendwie sexuell konnotiert. Ich lache etwa darüber, dass in den Büchern von David Peace pausenlos gekotzt wird. Oder wenn in Hammetts „Das große Umlegen“ wieder einmal zehn Figuren die Lebenslichter ausgepustet werden. Je gröber, desto besser, denn Krimi ist auch etwas, das unter die Gürtellinie geht, das hat nichts mit schrulligen alten Tanten zu tun, die ihren Männern Gift in den Tee träufeln. Überhaupt: Weg mit dem „wohldosierten Humor“. Ich mag Humor in Überdosis, kalauernd, völlig überzogen, denn Humor entgrenzt sich immer selbst, wird anarchistisch, sonst ist er kein Humor, sonst ist er schlicht Witzigkeit, und die finde ich – siehe oben – überhaupt nicht komisch.

Man kann sich natürlich auf den Standpunkt festlegen, Mord sei niemals harmlos und folglich Humor im Krimi völlig deplaziert. Das setzt aber voraus, Humor sei generell harmlos, was er zwar meistens ist, aber nicht von Natur aus. Der Humor des politischen Kabaretts z.B. ist harmlos. Vor allem dann, wenn die, über die man lachen soll, im Publikum sitzen und mitlachen. Aber dann ist die Situation selbst wieder humoristisch und mitnichten harmlos, sondern enthüllend. Enthüllend ist meistens das, was dies unfreiwillig tut. Deshalb achte man mir den unfreiwilligen Humor, dessen Vorhandensein in der Kriminalliteratur nach Legionen gezählt werden muss.

Humor sollte also etwas enthüllen, so wie der Krimi etwas enthüllen, also bloßstellen sollte: die Normalität, die Oberfläche von Recht und Ordnung, das Kontinuierliche, auch das Kontinuierliche des Erzählens, wie es etwa bei Steinfest oder Haas geschieht, über die ich durchaus einmal lachen konnte, aber da ich in jedem Buch über das gleiche lachen soll, lass ich es jetzt lieber.

Humor in Krimis ist meist so tot, dass er schon „schwarz“ wird, wenn er gerade seinen letzten Schnaufer tut. Schwarzer Humor, ach ja, hab ich ganz vergessen, schwarzen Humor mag ich überhaupt nicht, er langweilt mich. Humor soll mich vor allem überraschen. Ich möchte nicht schon von Zeile eins an darauf vorbereitet sein, lachen zu müssen, weil ein Serienkiller die Skelette seiner Opfer zu Hause als Kleiderständer benutzt.

Werden wir zum Schluss ein wenig grundsätzlicher. Behaupten wir einfach, jedes literarische Meisterwerk sei zweierlei: a) ein Krimi und b) komisch. Ein Text, der weder Krimi ist noch komisch, kann kein Meisterwerk sein. „Krimi“ hier in seiner – genrebefreiten – Kernbedeutung: die Konstruktion durch Destruktion. Genauso sehe ich auch das Komische: Es gewährt einen neuen Blick auf die Dinge, indem es die alten Blicke zerstört.

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