Rolo Diez: Wüstenstaub

Mexiko-City. Die größte, schmutzigste und wildeste Stadt der Welt? Möglich. Auch wenn Rolo Diaz‘ Buch Wüstenstaub dort spielt, ganz so heftig kommt es nicht. Aber Diaz lässt uns jede Seite des Buches wissen, dass wir in Mexiko sind. Das Land, korrupt und prädemokratisch liefert nicht nur den Hintergrund, vor dem die Geschichte des Buches sich abspielt, sondern es ist Objekt der Gedanken von Carlos Hernandez.

Hernandez ist Polizist und zwar nicht nur irgendein Polizist, sondern Mitglied einer Spezialeinheit, die von einflussreichen Bürgern eingeschaltet wird, wenn es gilt, allzu große Aufmerksamkeit und den Einsatz regulärer Kräfte zu vermeiden. Und so steht denn am Anfang des Buches der Auftrag, den Leichnam einer jungen Frau zu überführen, die auf einer dieser Partys, die die sog. besseren Kreise feiern, zu Tode gekommen ist. Drogen, Alkohol und wer-weiß-was-noch … am besten schafft man sie schnell zurück nach Tijuana, der Grenzstadt zu den USA, wo sie herkommt und ein Arzt ihr Ableben mit einer sozial verträglichen Diagnose versehen kann. Dort vor Ort kommt natürlich alles ganz anders als geplant.

Zurück in Mexiko-City beschäftigt ihn ein zweiter Fall. Mütter, deren Kinder auf eine gediegene Privatschule gehen, werden grausam zugerichtet gefunden; fast scheint es so, als sei ein Serientäter unterwegs. Schnell wächst auch dieser Fall sich aus und Hernandez sieht sich mit der Staatspolizei konfrontiert, die, wenn schon nicht den wahren Täter, so doch, um den Fall abschließen und aus den Schlagzeilen zu bringen, einen „Täter“ verhaften will.

Rolo Diaz ist ein ewig ironisierender Erzähler, der nicht nur Geschichten erzählt, sondern auch aus Hernandez‘ Leben und aus Mexiko. Häufig ist es bei solchen Büchern schwer, das Gleichgewicht zwischen satirischem Vortrag und polizeilicher Arbeit zu finden. Diaz gelingt es gut, auch wenn die Aufklärung häufiger durch eine Eingebung Hernandez vorangetrieben wird.

Für Hernandez selber scheint sich der Wunschtraum des mexikanischen Machismo erfüllt zu haben. Er hat zwei Frauen und viele Kinder. Mit einer ist er ganz legal verheiratet; er liebt sie heiß und innig, die andere, nun sagen wir, die liebt er auch heiß und innig. Frau I weiß natürlich von Frau II nichts. Zwei Familien hat er also, und so ist er mächtig im Stress, um alle hungrigen Mäuler zu stopfen. Da trifft es sich gut, dass Polizisten in Mexiko, mehr vielleicht als in anderen Ländern der Welt, die Gelegenheiten nutzen, die sich im Rahmen ihres Jobs auftuen, um Geld dazu zu verdienen – nur ihre Chefs dürfen sie dabei nicht vergessen.

Neben der Korruption und dem sozialen Gefälle ist der Machismo dann auch ein Thema, welches das Buch bestimmt. Hernandez hat seine Familiensituation gut im Griff, wie schnell verliert er jedoch die Contenance als Frau II mit einem anderen Mann flirtet.

Wüstenstaub ist das Buch eines Intellektuellen, der eine Botschaft ‚rüberbringen will und ‚rüber bringt, ohne dass der Text drunter leidet. Gute Unterhaltung also. Diaz erzählt mäandernd, ohne Fett, gelegentlich am Rande lateinamerikanischer Erzähllust. Der ironische Grundton der Geschichte hat allerdings zur Folge, dass weder eine noir-Stimmung, noch ein Hardboiled-Feeling aufkommt.

Rolo Diez: Wüstenstaub. 
Distel Literatur Verlag 2007
(deutsch von Horst Rosenberger). 262 Seiten. 12,80 €

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