Schicksalswege eines Autors: Ein fragwürdiges Frauenbild

Das hat man nun davon. Eine schlichte Übergangsszene ist zu schreiben, nichts Besonderes, geht schnell von der Hand. Korrekturlesen: Eine Änderung hier, ein Tippfehlerchen da. Und plötzlich überrieselt es einen, eiskalt oder glühendheiß, ich weiß es nicht mehr. Mensch, was ist denn das für ein Frauenbild! Und wo kommt das her? Steckt es in dir drin oder ist es doch nur der Handlung geschuldet, weil es jetzt eben so zu sein hat und nicht anders? Andererseits, ganz objektiv betrachtet: Wenn ich eine Frau wäre… Na und? Dann wärs immer noch so. Oder? Weiß nicht. Jedenfalls: Zur Ablenkung mal kurz in den Garten, nach den Äpfeln schauen. Auf dem Pfad die Kätzin von nebenan. Wartet seit Stunden auf die Maus, die inzwischen mindestens fünfmal an ihr vorbeigehuscht ist. Weiber! Wenn ich da an mein Katerchen denke… Hm. Schon wieder. Ein fragwürdiges Frauenbild. Urteilen Sie selbst.

„Lust auf ein kleines Spießrutenlaufen, mein Schatz?“
Ich bin guter Dinge vom Bett aufgestanden, draußen hat es abgekühlt. Gelika werkelt in der Küche, sie nennt es Spülen.
„Zieh dir etwas Geiles an, wir gehen heut abend groß essen.“
„Und warum Spießrutenlaufen?“
Na, „After Work Party“, Liebchen.“
Lohnt sich manchmal, einen Blick ins Käseblatt zu werfen. Einmal im Monat – heute! – trifft sich die einheimische Geschäftswelt am kaltwarmen Büffet von „Rita’s Schlemmertempel“, 15 Euro, Getränke extra, jedermann willkommen, zum anregend-entspannten Klönen nach des Tages Mühen. Scheints noch nicht lange zu geben.
„Ja, ja“, sagt Gelika und trocknet die Hände am Geschirrtuch, „hab davon gehört. Ich weiß auch, was das ist. Dass ‚after‘ Arschloch heißt, hab ich nur bis zu meinem 16. Lebensjahr geglaubt.“
Aber kommt natürlich hin. Einmal im Monat, immer Freitags, immer in „Rita’s Schlemmertempel“, herrscht dort die größte Arschlochdichte des Landkreises, ach was, des ganzen Bundeslandes.
„Also, Schöne? Lust auf Kaltwarmes? Ein Gläschen Champagner? – Das heißt: Nur wenn sie das haben und nicht nur ihren deutschen Schaumwein, der wahrscheinlich ein französischer ist. Lassen wir die Witwe rocken?“
Okay, das mit der Witwe erklär ich ihr ganz langsam. Sie appliziert sich eine hübsche Faltenwelle in die Stirnhaut.
„Aber ich hab nix anzuziehen! Nix Mondänes jedenfalls! Und das mit dem Spießrutenlaufen hab ich immer noch nicht so ganz kapiert.“
Na ja. Blick auf die Uhr. Boutiquen haben doch noch auf, oder? Die machen jetzt auch erst um 8 zu. Spießrutenlaufen:
„Die sehen es bestimmt nicht gerne, wenn der Plebs sich von den Crevetten nimmt und Kartoffelsalat aufs Tellerchen lädt, als gäbe es morgen landauf, landab nix mehr zu fressen. Der vorbestrafte Psychopath, der die Kapitalien einer der ersten Familien der Stadt ablebt, in Begleitung einer – nun ja, sorry, mein Engel – leicht verrufenen Frau, die den geilsten Fummel überm geilsten Hintern der ganzen Mischpoke anhat. Hier-„
Ich ziehe locker fünf nagelneue Hunderter aus dem Hosensack.
„-müsste doch reichen, was? Vielleicht solltest du die Preisschilder dranlassen, oder ich sag mal nonchalant: ‚Gell, Schnucki, nächstes Mal kaufen wir aber in der Großstadt ein. Hier ist alles irgendwie so – billig.'“
Es sind die fünf Scheinchen, die Gelikas Bedenken wegwischen. Die Aussicht, wie eine vornehme Frau – oder eine Edelnutte – dieses Boutiquenpack scharwenzeln zu lassen. Hat nicht Marion, die einstmals schöne, heute vom ständigen Sonnenstudioliegen krachlederne Angetraute Schröders, auch so einen Fummelladen? Na, dann mal auf und hin!
„Und Schuhe?“
Also noch mal in die Tasche gegriffen. Was haben wir da? Zweihundert. Reicht das?

5 Gedanken zu „Schicksalswege eines Autors: Ein fragwürdiges Frauenbild“

  1. Nein, nein, Henny, das Männerbild ist schon okay. Lauter starke, intelligente, sensible, treue, ehrliche Kerle, die auch mal auf den Tisch hauen, wenn es die Frauen zu bunt treiben.

    bye
    dpr

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