Wenn die Blase platzt

Platzt nach der IT-Blase und der Finanzblase bald auch die Krimiblase? Oder doch zuerst die Kreditkartenblase? Vom baldigen Ende des vielbeschworenen „Krimibooms“ raunt man in der Szene schon lange, seit einiger Zeit lauter als sonst. Logisch: Der Crash ist überfällig, Heulen & Zähneklappern werden schon im stillen Kämmerlein geprobt, Forderungen nach „Staatsbürgschaften“ formuliert. Andererseits: Ist die Branche nicht gewappnet? Ja, besser als sonst in ihrer Geschichte?

Man kann es nicht leugnen. Die Krimiindustrie gleicht einer Leberwurst, deren Enden von soliden Klammern zusammengehalten werden. Einmal durch die weiterentwickelten, beinahe perfekten Textdesigntechniken. Das Lesevolk bekommt, was das Lesevolk möchte. Sind Serienmörder gefragt, gibt es Serienmörder. Sehnt man sich nach Kinderschändern – voilà: Kinderschänder. Giert der Leser nach einer Mischung aus crime und romance, finden sich flugs entsprechende Schreibende, die Gier zu befriedigen. Und so weiter.

Das andere Ende der Wurst hält die in den letzten Jahren gewachsene allgemeine Akzeptanz zusammen, die das Genre bei den gebildeten Ständen gefunden hat. Krimi ist nicht mehr per se igitt, aber irgendwie hochliteratourig sollte es schon laufen, wenn der grübelnde Kommissar sinnierend durch die Gegenwart taumelt. Gut, das verhindert natürlich nicht, dass – um beim Blasenbild zu bleiben – irgend jemand kommt und einfach mit der Nadel mitten in die Krimiwurst hineinsticht. Und dann platzt sie zwar nicht, aber sie läuft aus, und dann haben wir die Bescherung. Nur: Wer sollte da stechen wollen? Etwa der gute Geschmack? Ich weiß es nicht.

Nehmen wir für einen Moment an, die Nachfrage nach wohlfeier Kriminahrung gehe dramatisch zurück, so dramatisch, wie es vor Jahren etwa bei einem anderen Genre, der Science Fiction, der Fall war. Wodurch wird dieser Nachfrageeinbruch dann kompensiert? Durch den Aufstieg eines anderen Genres, vielleicht gerade eben jener arg gebeutelten Science Fiction? Oder feiert der Western fröhliche Urständ? Oder ähnelt das Ganze einem Gesundschrumpfen, wird das Lesevolk plötzlich anspruchsvoller, wendet es sich angewidert von den synthetischen Produktlein ab und zurück bleiben die Connoisseurs, die Liebhaber des Genres, von denen es ja auch einige wenige geben soll?

Wie dem auch sei: Wenn die Blase platzt oder ausläuft oder schrumpft, muss das unsereinen nicht weiter kümmern. Obwohl: Dann platzen, schrumpfen auch die Krimiverlage, diejenigen jedenfalls, deren Produktion zu 90% aus gängiger Handelsware besteht und die sich für die übrigen 10 Prozent ihre Renommierstücke zur Dämpfung des schlechten Gewissens halten. Wäre nicht so gut. Besser durch die Rezession kämen hingegen die Kleinen, Feinen, für die ja das Prekäre, die Krise eh ein Dauerzustand ist. Und natürlich könnte man aus dem Fiasko lernen, denn eins ist gewiss: Wenn die Blase platzt, wird irgendwo in Krimiland eine neue aufgepustet. Ganz langsam rundet sich die. Aber diesmal vielleicht solider. Die Verlage haben etwas gelernt, die KritikerInnen haben etwas gelernt, vor allem aber: die LeserInnen haben etwas gelernt.

Glauben wir daran? Nicht wirklich.

18 Gedanken zu „Wenn die Blase platzt“

  1. Ich habe selten einen so schlecht motivierten Blödsinn gelesen wie diesen BLOG-Beitrag zur vorgeblichen Zukunft des kriminalliterarischen Marktes.
    Woher nimmt der offenbar frustrierte Kritiker sein Wissen? – Man erfährt nüscht davon.
    Er nimmt einen Moment lang an, eine „Krise des Genres“ wäre denkbar, denkt aber nicht wirklich weiter. Was soll das? – Man weiß es nüscht. Abgesehen davon tendiert dpr dazu, das Genre von vorneherein überzubewerten. Betriebsblindheit?
    Der „Krimi“ ist momentan so feist und satt in den alltäglichen kulturellen Mainstream eingebettet, dass er wie eine Stallkuh seine Milch abgibt. Das „Milchgeld“ fließt also so zuverlässig, wie der Verkauf von Butter und Brot.
    Dies soll keine Beschwichtigung für all die Marktbeteiligten (Autoren, Kritiker, Lektoren, Rezensenten, Übersetzer und Verlage) sein, nur dem Verständnis auf die Sprünge helfen, dass sich „Krimi“ aus bestimmten Gründen Hors catégorie bewegt. Ganz im Gegensatz zu SF und Fantasy, die als rein modische Zeitströmungen auf den jeweiligen Hype eines neuen King und „Tolking“ wartet.
    „Grimmi“ ist in einer offenen Gesellschaft, in der privates, gesellschaftliches oder auch staatliches Verbrechen nicht mehr verhohlen unter der Decke gehalten wird, eingebettet in den allgemeinen Bewußtseinsstrom.
    Die Allegorie zum Börsen und Finanzwesen mit dem ach so gewagten Bild der Spekulationsblase mag so zwar darauf hinweisen, mit wieviel Blödsinn sich die entsprechenden Verlage auf die publizistische Bühne wagen, dennoch ist diese Blasentheorie angesichts des breiten Stroms an Publikationen und der Bereitschaft des Publikums, dies zu akzeptieren, nicht zwangsläufig an ein Kurssystem gebunden.
    Ich schließe daraus: Diese dpr-Blasentheorie ist ein mißlauniges Bla und Blubb. Womöglich gar ein Phänomen für das allgemeine Bla und BLOG?

  2. Mein lieber Herr Magister Minzeifer, Ihr Unmut in allen Ehren. Aber Sie widersprechen sich. Einerseits werfen Sie mir vor, „das Genre von vorneherein überzubewerten“. Und dann sind Sie es, der es überbewertet. Da sitzt der Krimi „feist und satt“ im Mainstream, aus dem ihn, wenn ich Sie richtig interpretiere, nichts mehr vertreiben kann… Darf ich, um noch einmal auf das „ach so gewagte Bild der Spekulationsblase“ zurückzukommen, daran erinnern, dass auch das Banken- und Finanzsystem „feist und satt“ und schier unerschütterlich zu sitzen schien? Ist es nicht das Merkmal einer platzenden Blase, dass sie das mit einem unvermuteten Knall tut?
    Natürlich sitzt man in Krimistan noch feist und satt. Und ich spiele ja nur einmal kurz durch, was passieren könnte, wenn sie das nicht mehr täte. Ist das wirklich so unrealistisch? Glauben Sie tatsächlich, der mit Ware aller Art zugeschissene Leser erreiche nicht vielleicht irgendwann einmal den Punkt des großen Kotzens? – Dass man dies munkelt, nun, man tut es. Vielleicht verkehren Sie nicht in den Kreisen, in denen man so munkelt. Seien Sie froh.
    Aber noch einmal zum Überschätzen: Sie schreiben: „“Grimmi“ ist in einer offenen Gesellschaft, in der privates, gesellschaftliches oder auch staatliches Verbrechen nicht mehr verhohlen unter der Decke gehalten wird, eingebettet in den allgemeinen Bewußtseinsstrom.“
    Ja, wäre schön, wenns denn so wäre. Nur haben wir eben keine „offene Gesellschaft“, sondern allenfalls eine „geregelte Konsumgesellschaft“. Und die mag ja alle Sorten von Verbrechen unter der Decke hervorzerren, doch ach, zu welchem Zweck? Zur Beruhigung. Zur Unterhaltung. Zur Abstumpfung. Allgemeiner Bewußtseinsstrom? Ich weiß nicht. Wenn es den denn gibt, dann fließt er träge aus den PR-Abteilungen in die Gehirne und wieder zurück.
    Aber vielleicht haben Sie tatsächlich recht und nix platzt. Mag ja sein.

    bye
    dpr

  3. Aus PR-Abteilungen fließt kein Bewusstsein. Das wäre ein Widerspruch in sich.

    Die nächste Blase sind übrigens die Comics, denke ich. Baut sich schon mal langsam auf. Siehe TW. Also: Schnell ein paar Comics-Aktien kaufen und auf dem Höhepunkt wieder verkaufen.

  4. „Ich habe immer versucht, in einem Elfenbeinturm zu leben, aber ein Meer von Scheiße schlägt an seine Mauern, genug, ihn zum Einsturz zu bringen.“
    (Gustave Flaubert an Iwan Turgenjew, 1873)

    Lieber dpr,

    Ihre deutlich erkennbare Liebe zur Kriminalliteratur in allen Ehren; natürlich verstehe ich, dass sie angesichts der unsäglichen Publikationsflut von Krimis aus allen Ecken und Enden dieser Republik die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. (Ich schlage mit.)
    Dennoch lässt sich aus der vorgeblichen Schlechtigkeit der Krimiproduktion, formuliert aus offensichtlichem Kritiker-Frust, nicht gleich ein potenzieller Leserfrust herleiten. Vielleicht steigt sogar die Leserbeteiligung mit zunehmendem Mittelmaß exponential?
    Ich kann mich gut an die 70er Jahre erinnern und weiß auch sehr wohl, welches Zeug in den 60er Jahren im großen trivialliterarischen Labmagen wiedergekäut wurde. Demgegenüber hat das Zeug von heute eine geradezu „geerdet“ schlechte Qualität.
    Alldieweil wurden Krimis seit Anbeginn ihrer Literaturgeschichte so begierig gelesen wie kaum eine andere Literatur (und womöglich ähnlich inbrünstig wie die schröckliche Bibellektüre). Sollte sich das nun Ihrer Meinung nach wirklich grundsätzlich ändern, dann müßte man tatsächlich einen Blick auf dieses Phänomen werfen. Aber nichts spricht momentan dafür (außer vielleicht Geldknappheit, sich neue Krimis zu kaufen – doch dann sind’s halt die MA- oder sonstwie antiquarischen Krimis, die markttechnisch kaum meßbar Eingang in$ deutschsprachige Gehirn finden).
    Doch Sie, verehrter Magister dpr (Dr. P.?), wählen ja gezielt ein Bild aus der Aktien- und Börsensprache, das auf „Spekulationen“ andeutet – und das, ohne das Bild sinnvoll auszufüllen. Die Verlage mögen sicher kalt kalkulierend auf Auflagen und bestimmte Zielgruppen schielen und spekulieren, aber sie haben immerhin auch „treue (und gefolgsame) Leser“, die auf dem „Meer an Scheiße“ herumschippern. Man mag das beklagen oder darüber jammern, aber bitte doch nicht so schief darüber hertheoretisieren.

    Wie ich eben schon sagte: Bla und BLOG.

    Bin gespannt auf Ihre Erwiderung.

    Herzlichst

    HFM

  5. Lassen Sie mich eines klarstellen, mein Lieber. Ich habe nicht den unvermeidlichen Absturz der KL vorhergesagt. Sondern nur anzudeuten versucht, was ein solcher, tatsächlich von vielen Seiten beraunter, auslösen könnte. Daraus spricht kein „Kritikerfrust“, denn tatsächlich bin ich nicht frustriert. Lediglich interessiert an dem, was da vor sich geht. Es kommt – von sich verändernden Vertriebswegen (Amazon etc. vs. stationärer Buchhandel) bis zu neuen Publikationsformen und Darstellungsarten – einiges an Veränderung auf uns zu. Diese werden auf Verlage treffen, die darauf meines Erachtens schlecht vorbereitet sind. Zumindestens im KL-Segment fußt alles auf einer Spekulation: Es müssen WENIGE Titel möglichst großen Umsatz machen. Die sogenannte „midlist“, also sämtliche Bücher zwischen Bestseller und Ladenhüter, haben einen immer schwereren Stand (in den USA bereits mehr als bei uns). Nicht ganz so „barrierefreie“ Titel werden aus den Programmen gehievt, landen, wenn sie Glück haben, bei kleineren Verlagen, deren Unglück es ist, im stationären Buchhandel nicht präsent zu sein. Was dort herumliegt, ist tatsächlich die seit Anbeginn der Kriminalliteratur zu konstatiertende Massenware, die ihre zuverlässigen Käufer findet. Nur: Damit befindet sie sich auf schwankendem Boden. Das Ganze kann einen Sättigungsgrad erreichen, der die Absätze zurückfährt. Das muss sich auf den ersten Blick nicht dramatisch ausnehmen, wird aber die Verlage in Schieflage bringen. Vergleichen Sie das durchaus mit der seit Jahren zu beobachtenden Misere in der Musikindustrie. Auch dort: Konzentration auf „Hits“, bekannte Namen, keine Nachwuchspflege, schrumpfende Backlists, dazu das Aufkommen neuer Präsentations- und Vertriebswege. Fazit: Die Branche steht vor dem Zusammenbruch. Man kann das sicher nicht eins zu eins auf die KL übertragen, Parallelen sehe ich durchaus.
    Nun gut, das alles mag tatsächlich nicht zu einem Crash führen. Zu Wandlungen allemal.
    Ich glaube nicht, dass die aktuelle deutsche KL (beschränken wir uns mal nur auf sie) wirklich so schlecht ist, wie Sie behaupten. Ich sehe aber auch, dass es für den Nichtmainstream immer schwieriger wird, überhaupt auf den Markt und an potentielle Leser zu kommen. Spitzt sich das noch zu, wird die Kriminalliteratur tatsächlich in zwei Teile gespalten: in den nur noch auf Schablonisiertes setzenden (mit der Gefahr, dass ihr andere Schablonen den Rang ablaufen) und eine Art „Underground-KL“, die in geringen Stückzahlen abgesetzt wird. Zwischen den beiden Segmenten wird es kaum noch Beziehungen geben. Das ist, wie gesagt, spannend und kann in seinen Konsequenzen noch gar nicht abgesehen werden. Aber es wird sich etwas tun. Soviel ist gewiss.

    bye
    dpr

  6. Lieber dpr,

    na endlich sprechen Sie Klartext! – Denn darum geht es ja im Kern: 1.) Strukturwandel im Buchhandel hin zur Unternehmenskonzentration, der sehr wahrscheinlich der Vielseitigkeit und Qualität der literarischen Produktion viel mehr schadet als im Zweifelsfalle nutzt. 2.) Neuen Darstellungsformen (E-Book cetera) wird begegnet wie den AKWs in ihren besten Jahren: Technikbegeistert und konsumbereit – ein nahender Supergau zwischen Sinn und Form. 3.) Die Verlage haben zwar von Tuten und Blasen etwas Ahnung, aber vorbereitet sind sie dennoch nicht. 4.) Der Buchmarkt konzentriert sich nicht nur definitiv weiter weg von seinen lebenswichtigen Inhalten, sondern gleicht sich auch immer mehr der allgemeinen Marktform an, für die menschliche Bedürfnisse nach Aufklärung, Wahrheitsfindung oder Ästhetik – wenn sie nicht in Geldwert zu messen sind – genauso gut dem Inkassoverwalter überlassen werden können. 5.) Die Zeichen der Zeit (siehe Ihr Beispiel Musikindustrie) erkennt branchenintern tatsächlich kaum jemand in ihrer vollen Tragweite – obwohl es durchaus noch möglich wäre, ob als Produzent oder Konsument, sich den Sachzwängen langsam, aber sicher zu entziehen. 6.) Der Nachwuchs als solcher ist sicher nie kaputtzukriegen, außer man vergiftet ihn so heillos, dass er selbst in Nischen nicht mehr überleben kann. 7.) Und tatsächlich: Das eine („Buchgroßmarkt“) hat mit dem anderen („verlegerisches und buchhändlerisches Schaffen“ im positiven Sinne) immer weniger zu tun. Doch damit entzieht sich das eine durch Weglassung des anderen auch immer mehr wichtiger Ressourcen. Und so dumm ist kein funktionierender Kapitalismus, dies nicht zu erkennen und fallweise dagegenzusteuern.
    Was allerdings in ganz anderen Bereichen ein nicht funktionierender Kapitalismus anrichten kann – um schließlich noch einmal mit einem letzten gedanklichen Schlenker auf Ihre Blasentheorie zurückzukommen -, das hat man derzeit tatsächlich tagtäglich in krassestem Ausmaß vor Augen. Doch bevor sich die kleine Buchwelt irgendwann anschicken kann, es den wild- und irre gewordenen Börsen nachzumachen, hat der reale große Prozess den so nicht wirklich stattfindenden kleinen Prozess zweifelsfällig schon längst unter seinen Trümmern begraben.

    Herzlichst

    HFM

  7. Na sehen Sie, das ist doch das Schöne an Blogs. Man wird von seinen Lesern gezwungen, Klartext zu reden. Dass nun der große Prozess die vielen kleinen unter sich begräbt, die große Blase also auch die vielen kleinen zum Platzen bringt, mag sein (und wird auch in einigen Fällen so sein). Aber ginge es nicht auch ohne? Gerade die KL ist ja sowohl in ihrer rein ökonomisch-gewinnmaximierenden als auch ihrer „idealistischen“ Variante bedroht. Die einen unterwerfen sich schlicht den Risiken einer reinen Konsummode. Die irgendwann out sein kann wie Schlaghosen, Dauerwellen oder die Vorliebe für McDonalds. Die anderen sitzen in ihren kleinen Nestern beziehungsweise im eigenen Saft, ständig prekär, ein einziger Flog kann ihnen das Genick brechen. Das Blasenbild mag ein wenig dramatisch sein. Die Mode-Verlage werden sich neuen Moden anpassen. Die idealistischen einfach verschwinden (dafür werden neue auftauchen). Spannend wird es tatsächlich durch die neuen Formen. Ich weiß selbst nicht, was ich davon halten soll. Was z.B. die immer wieder angesprochene Macht des Internets anbetrifft, bin ich sehr skeptisch. Die beschworene Informationsgesellschaft entwickelt sich eher zu einer Desinformationsgesellschaft, die „neuen Vertriebs- und Werbeformen“ orientieren sich weitaus mehr an Amazon-Philosophien als am ursprünglichen und vielleicht naiven Netzwerkgedanken der „Gleichgesinnten“. Ob es sich lohnt, dagegen anzukämpfen? Manchmal zweifele ich daran. But what can a poor boy do…

    bye
    dpr

  8. anyway, meine Steifzüge durch die (großen) Buchläden bestätigen den Eindruck der zunehmenden Konzentration auf Mega-Seller. Unter Buchstabe X finden sich oft nur noch 3 -4 Bestseller-Autoren, die mit X beginnen. Und von denen dann halbe Werkausgaben. Heißt aber nicht, dass das schlechte Sachen sein müssen. Und auch in den Verlagen scheint die Neigung groß, Erfolsrezepte, oder was man dafür hält, nachzukochen. Aber es scheint dort außerdem eine höchst weise Einstellung zu geben, die sich viel weniger auf Erfolgskurven beruft als Börsenmakler dies tun. Obwohl letztere eigentlich Chaos-Theoretiker sein müssten, sagen eher die Buchverkäufer „anything goes“ oder auch nicht, bzw.: Come writers and critics who prophesize with your pen and keep your eyes wide the chance won’t come again and don’t speak too soon for the wheel’s still in spin and there’s no tellin‘ who that it’s namin‘. For the loser now will be later to win for the times they are a-changin‘.
    Also statt Blasentheorie die viel heiterer stimmende Krötentheorie.

  9. Mein alte, völlig unrealistische Vision (gibt es eigentlich auch realistische Visionen?) ist immer noch die des Direktverkaufs. Die AutorInnen schreiben und lassen Bücher herstellen, die sie dann an LeserInnen verkaufen. Klappt aber nicht. Obwohl doch alles da ist: Book on demand (keine richtigen Bücher…), Internet mit Werbe- und Bestellmöglichkeiten und sogar, man höre, potentieller kritischer Kraft. Es gibt übrigens nichts Schöneres, als auf seinem Mailaccount plötzlich fünfzig Bestellungen auf einmal vorzufinden (wie es mir mit „Schwarzwaldau“ ergangen ist, als das überraschenderweise im Rundfunk empfohlen wurde) und dann auszuführen (eintüten, Briefmarken kleben, zur Post bringen…).

    bye
    dpr

  10. Direktverkauf? Das würde zum Beispiel, lieber Visionär, voraussetzen, dass der Autor liest.

    🙂

    *hat gestern im Mainzer Volkstheater gelesen

  11. zu schön: das Platzen der Blase als Auftakt für die Verdrängung von ‚Verbrechen‘ aus dem Zentrum gesellschaftlicher Selbstbeschreibung. Peu à peu verschwände auch der ganze XY-Crime-Corner-RTLI-II-Sat1-etc.ppp.-Scheiß. Frau Salesch und Herr Hold würden ernsthaften Tätigkeiten zugeführt. Übrig bliebe gerade noch Frau Susi Wimmer mit dem täglichen Digest aus den Meldungen der Polizeipressestelle. Ruhe träte ein und das Bedürfnis nach Devianz-Literatur würde von Th. Manns ‚Wälsungenblut‘ u. dgl. gedeckt. Goldene Zeiten!

    Beste Grüße in diesem Sinne!

  12. Altkanzker Schmidt hat mal gesagt, er habe nie Visionen, denn die gäbe es nur in der Mystik-Abteilung der Religionen (hat er auch gesagt, die Wendung „Sinn machen“ sei ein Unding? Oder hat er sie im Gegenteil hoffähig gemacht?) Book on demand funktioniert vielleicht nicht, weil die Rolle des Vorkosters zu sehr gewünscht wird. Klar – was tun in der Flut? Und völlige Bewertungsdemokratie wie beim Großen Versender hebt sich letzlich wegen der unzähligen, sich allzu widersprechenden Meinungen selber auf. Man braucht die FAZ, das liturgische Cover, eine Sendung je nach Geschmack. Ich auch, ich kaufe auch spontan Bücher, aber doch nicht vom Autoren selbst. Wenn ein Werk es hingegen in eine Buchhandlung geschafft hat… Die Zukunft sieht vielleicht sehr düster aus. Die Verlage drucken in Zukunft vielleicht keine schlechten Bücher mehr. Der einzige Ausweg: Sie selbst herausbringen, ja, aber professionell und mit allem Drum und Dran.

  13. Die Verlage drucken keine schlechten Bücher mehr? Das heißt, sie fahren ihre Produktion auf 5% zurück? Gute Nachricht! Aber Visionen. Doch, die leiste ich mir manchmal. Nur so für mich. Und wenn es ein Werk in eine Buchhandlung geschafft hat, heißt das nur, irgend jemand hält es für verkäuflich. Schön so. Ich habe bisher ein Buch (kein eigenes!) bei book on demand veröffentlicht. Es ist bisher das einzige, an dem ich Geld verdient habe (wenig).

    bye
    dpr
    *hm, stimmt nicht. Das Computerbuch war auch profitabel. Aber da musste ich teilen.

  14. … er meinte, „Vision“ sei sowas wie eine wahnhafte Marien-Erscheinung, aber nichts, was mit Vorstellungskraft zu tun hat und vielleicht hat er recht. Ansonsten: „Buchhandlung“ ist imho überall, wo eine Sache gut eingeführt wird. Und: Gibt es die 95%schlechten nicht mehr, wie dann die 5% guten?

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