Carl Hiaasen: Striptease

Mit seinen über 500 Seiten ist „Striptease“ ein längliches Vergnügen. Aber wir winken es trotzdem durch; denn das Vergnügen obsiegt am Ende doch über das Längliche.

Carl Hiaasen eben und eine seiner opulenten, vielsträngigen Stories. Ein Sexschuppen namens „Eager Beaver“, in dem nackt getanzt wird. Ein Kongreßabgeordneter, der sich gehen lässt, einen anderen Gast krankenhausreif prügelt, dabei erkannt und fotografiert und – logisch – erpresst wird, eine Tänzerin im Clinch mit ihrem Ex, der sich das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter ergaunert hat und mit ihr seinem Gewerbe – dem Diebstahl von Rollstühlen – nachgeht, ein gigantischer Rausschmeißer namens Shad, dessen Sinnen und Trachten es ist, Kakerlaken in Yoghurt zu versenken, darob ein seelisches Trauma zu erleiden und die Herstellerfirma abzuzocken. Ein edler Detective mit Vorzeigefamilie, rücksichtslose Politikerberater, gewissenlose Zuckerbarone, viel Korruption und noch mehr verquere Liebe. Und selbstverständlich kaum ein Absatz ohne Gag. Nicht feinsinnig-ironisch, nein, knallhart witzig. Carl Hiaasen, wie man ihn kennt.

Genau: Wie man ihn kennt. Wer auch nur ein Buch von Hiaasen gelesen hat, wird sich über den Wiedererkennungswert freuen und gleichzeitig fragen, warum er sich das noch mal über 500 Seiten antun soll. Vielleicht, weil es sich so gut liest? Oder weil Hiaasen das Scherzen ja nicht um des Scherzens willen betreibt? Weil er die Florida-Gesellschaft brutal seziert und drastisch überzeichnet, das wohl in einigen Punkten tatsächlich merkwürdige Rechtssystem der USA anprangert, die Untriebe der Politik, in der Volks- vor allem Interessensvertreter der Besitzenden sind, beim Namen nennt? Auf die gigantischen Umweltverschmutzungen hinweist, gegen die anzukämpfen schon deshalb sinnlos scheint, weil, siehe oben, die Interessen der Verschmutzer von den Mächtigen unterstützt werden?

Das wissen wir doch alles. Mag sein. Aber es soll Menschen geben, die es eben noch nicht wissen. Und die auch kaum eine wissenschaftliche Studie zur Hand nehmen, sondern, wenn überhaupt, einen Kriminalroman, in dem „Muschis“ und „Titten“ nicht nur sexuell stimulieren können. Manchmal dienen sie sogar der gesellschaftlichen Aufklärung. Und Oben-Ohne-Ringkämpfe in süßem Mais mit Schlagsahne oder Nudeln, die nicht al dente sind, das ist doch ein schönes Bild kultureller Istzustände nicht nur in Neu-Obama-Land.

Also: Für die einen ist es erhellend, für die anderen einfach nur krachend lustig. Kenner bewundern zum wiederholten Male Hiaasens Talent, aberwitziges Personal durch souverän gestrickte Stories zu jagen, ohne dass die Dramaturgie dabei kollabiert. Und die Gagdichte ist, wie gesagt, enorm. Auch das muss man beherrschen. Hiaasen tuts.

Carl Hiaasen: Striptease. 
Goldmann 2008 (Strip Tease, 1993, deutsch von Michael Kubiak).
526 Seiten. 8,95 €

2 Gedanken zu „Carl Hiaasen: Striptease“

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