Fragen Sie!

Wir leben im Informationszeitalter. Gut so. Aber nicht alle Informationen, die uns zu Ohren kommen, verstehen wir. Ganz schlecht. Vieles irritiert uns, sogar im Krimisegment. Was tun? – Fragen Sie uns! Wann immer Sie etwas in puncto Krimi nicht verstehen, lassen Sie es uns wissen! Wir finden auf alles eine Antwort. Zum Beispiel auf die verzweifelte Frage des Lesers B. aus H.

Liebe wtd-Crew, schreibt Leser B. aus H., ich habe mich gestern, angeregt durch die wie immer tolle Rezi zu Stefan Manis „Das Schiff“, ein wenig bei Amazon umgeschaut. Dort ist das Buch auch rezensiert worden. Eine Aussage, die von →Kritiker ucb14, hat mich verwirrt:

„Meinen Geschmack hat das Buch nicht getroffen. Wenn es ein Krimi ist, dann erwarte ich Spannung und Auflösung, und wenn es kein Krimi ist, dann gefiel es mir trotzdem nicht, weil es eben an Spannung und Auflösung fehlte (…)“

Was bedeutet das, liebe Crew? Als Krimi würde es ihm gefallen, wenn Spannung und Auflösung vorhanden wären. Als Nichtkrimi – also als ein dezidiert spannungs- und auflösungsfreies Buch – gefällt es ihm aber auch nicht, weil es keine Spannung und Auflösung bietet, also kein Krimi ist. Am merkwürdigsten finde ich daran, dass der Kritiker gar nicht weiß, OB es überhaupt ein Krimi oder ein Nichtkrimi ist, es heißt ja: WENN… Wenn er es aber nicht weiß, wieso weiß er dann aber, was er von einem Krimi und einem Nichtkrimi erwartet? – Also ehrlich: Mir schwirrt der Kopf. Kannst du mir helfen, liebe Crew?

Lieber Leser B. aus H.! Dröseln wir die Sache logisch auf. Erste Aussage: Das Buch hat dem Kritiker nicht gefallen. Er hat Spannung und Auflösung erwartet, doch wurde diese Erwartung nicht erfüllt. Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten. Sollte der Kritiker, was er aber nicht weiß, einen Krimi gelesen haben, dann hat er ihm nicht gefallen, weil es keiner sein kann, sondern eben ein Nichtkrimi. Sollte er jedoch einen Nichtkrimi gelesen haben, obwohl er nicht weiß, was das ist, dann hat er ihm nicht gefallen, weil das fehlt, was er von einem Krimi erwarten würde, wenn er wüsste, was das ist. Wir wissen es nicht. Wir wissen auch nicht, was ein Krimi ist. Aber wir wissen, dank Krimi-Couch, was ein Krimi NICHT ist. Dort nämlich schreibt „Soraya“ (lebt die noch?) zu Andreas Wilhelms →„Projekt“:

„Entschuldigung es ist ja gr kein Krimi sondern ein Thriller!“

Es könnte also sein, dass „Das Schiff“ nicht mehr Krimi, aber auch noch nicht ganz Nichtkrimi, sondern ein Thriller ist! Sollte dies der Fall sein, lässt es sich natürlich auch nicht mehr nach den üblichen Kriterien bewerten. Ist es gut, weil es weder Spannung noch Auflösung hat? Oder schlecht? Und was muss ein Thriller anstelle von Spannung und Aufklärung haben? Möglicherweise sind solche Bücher weder gut noch schlecht, sondern, wie Couch-Kritiker Selin zu Cody McFadjens →„Die Blutlinie“ anmerkt:

„Ich fand dieses Buch keinsame Spitze!“

Für diese Theorie spricht auch, dass „Die Blutlinie“ auf dem Cover als „Thriller“ bezeichnet wird, also sowohl Spitze als auch Nichtspitze ist, was nun, auf „Das Schiff“ bezogen (wir erinnern uns: weder Krimi noch Nichtkrimi), bedeuten könnte: Der Kritiker weiß noch nicht so genau, ob er jetzt einen Thriller oder den IKEA-Katalog gelesen hat. Wir hoffen, dass deine Irritationen hiermit beseitigt sind, lieber Leser! Noch Fragen? Immer her damit!

10 Gedanken zu „Fragen Sie!“

  1. „keinsame Spitze“ ist die neologistische Kompression der Frage, ob etwas Krimi sei, aber leider keiner – oder Nichtkrimi, aber irgendwie auch nicht. Das Lob „einsame Spitze“ wird durch das vorangestelte „k“ quasi apriori negiert, um aposteriori manipuliert werden zu können. Sobald der Kritiker weiß, was Krimi oder Nichtkrimi / Thriller ist, kann er behaupten, es handele sich um einen Schreibfehler („Hammer! Soll natürlich EINSAM heißen…“)- oder um einen Schreibfehler („MIST! Muss natürlich „keine Spitze“ heißen“). Der Kritiker ist also fein raus und kann nicht so schnell an den Kanthaken genommen werden. Ein Verfahren, das wir vorsichtigen Rezensenten empfehlen.

    bye
    dpr
    *euer Dr.Sommer des Krimis

  2. Es ist doch schön, dass der gödelsche Satz endlich die Krimirezension erreicht hat.

    Wobei ich fürchte, dass Du den nur verwendest um das zentrale Theorem der dpr-Schule zu begründen. Denn wenn ein Buch sowohl Krimi als auch nicht-Krimi ist, dann muss man es wohl als Text lesen.

  3. Ob ein Krimi ein Krimi ist, hängt davon ab, ob „Krimi“ draufsteht oder nicht. So einfach ist das!

    Dieses Phänomen kann man zwanglos (nicht nur auf Thriller) übertragen:

    Wenn man z. B. einem Wesen, das bellt und knurrt, ein Schild um den Hals hängt, auf dem „Katze“ steht, fängt dieses Wesen zwar nicht an zu miauen und auf Bäume zu klettern. Dennoch muss sein Eigentümer keine „Hundesteuer“ mehr zahlen, weil ja draufsteht, dass es sich um eine Katze, mithin nicht um keinen Hund handelt. So einfach ist das! (Ohne Gewähr)

    Gruß
    thomas

  4. Carina verfeinerte dieses Thema sehr filigran in ihrem Leserkommentar (leider mittlerweile anscheinend gelöscht) auf der Krimi Couch, zu Hakan Nessers „Kim Novak badete nie im See Genezareth“, indem sie punktgenau fetsstellt, bei vorliegendem Werk handele es sich um ein „sogennantes Buch“. Diese Kategorie des „Sogenannten“ umfasst natürlich auch alle Nicht-Nicht-Krimis.

  5. Thomas, du hast den gödelschen Knoten zerschlagen! Wenn ich Jochen ein Schild „Krimi“ um den Hals hänge, muss er sich auf den nächsten Krimicouch selber rezensieren! Wir harren gespannt des aufgelösten Kritikers…

    bye
    dpr

  6. Lieber dpr, lass das lieber sein. Nachher verreiße ich mich noch und werde leichenblass.
    Wo ich doch nicht mal unglaublich spannende, brilliant geschriebene Krimis, die sogar die Gedanken des Mörders zeigen(!), zu würdigen weiß.

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