Wer braucht ein Krimimagazin?

Erst einmal der Chronistenpflicht Genüge tun und ein paar aktuelle Reaktionen auf das Krimijahrbuch 2009 nachgetragen: →Ingeborg Sperl hält es für „keinesfalls langweilig oder unverständlich“, →Thomas Klingenmaier verspricht, man habe „das bisschen Geld für den Band (…) schnell wieder raus“, wundert sich aber über das Fehlen eines Krimimagazins, während →Axel Bussmer im KJB 2009 „nur eine beliebige Zusammenstellung von kriminalromanaffinen Texten“ sieht, „die auch an anderen Orten zu anderen Zeiten, zum Beispiel einem Krimimagazin, hätten erscheinen können“.

Das Dumme daran: Es gibt kein Krimimagazin, keinen gedruckten Ort für Kritik, Analyse, Information und Austausch. Brauchen wir überhaupt einen? Der Markt, das steht fest, kann auch ohne gut leben. Und wird es weiterhin tun, denn die Wahrscheinlichkeit, ein mehrmals jährlich erscheinendes Printprodukt zur Kriminalliteratur begrüßen zu können, ähnelt verteufelt der, den Lottojackpot zu knacken und dabei vom Blitz erschlagen zu werden.

Meine Erfahrungen aus vier Jahren Krimijahrbuch sind ernüchternd, dabei hätte man die schlichte Wahrheit voraussehen können. Wo keine Krimitradition, da auch keine Krimikultur. Was so nicht ganz stimmt und sofort korrigiert werden muss: Erstaunlicherweise gab es immer genügend Willige und Fähige, die bereit waren, für das KJB zu arbeiten. Es gab überdies einen exklusiven, sprich: kleinen Kreis treuer LeserInnen, vorwiegend positive Kritiken, mithin eine Basis, auf der auch ein so ehrgeiziges Projekt wie ein Krimimagazin hätte entstehen können. Nur: Das Krimijahrbuch funktionierte allein nach dem Prinzip der Selbstausbeutung. Die Honorare waren so gering, dass es lächerlich sein dürfte, sie überhaupt Honorare zu nennen. Das Absatzfazit hätte sich immer auf ein einziges Wort beschränken können: enttäuschend. Die Herausgeber verbrachten mit der Konzeption, der Akquise, dem Schreiben, dem Lektorieren jeweils die zweite Hälfte des Berichtsjahres, wovon die letzten zwei Monate oft zur Stresssituation wurden. Ohne Aussicht auf Bezahlung, neben der Brotarbeit, versteht sich. Mir ist es immer noch ein Rätsel, wie unter diesen Bedingungen vier Krimijahrbücher das Licht der Welt erblickten. Aber ein Krimimagazin? Das ist ein ganz anderes Kaliber.

Die Papierversion eines solches Magazins bleibt also nach allem, was ich in diesen vier Jahren an Erfahrungen sammeln konnte, illusorisch, und deshalb verschwende ich daran auch keinen Gedanken mehr. Bliebe das Internet, wo es „Magazine“ ansatzweise ja schon gibt, man denke nur an „Europolar“ oder Thomas Wörtches „Krimisamstag“ beim Titel-Magazin. Und die Blogs nicht zu vergessen. Positiv formuliert: Was rufen wir eigentlich nach einem Krimimagazin, wo doch die Aktivitäten im Netz zusammengefasst bereits Magazincharakter haben? Gut, es wäre schön, gäbe einen Ort, an dem sich all dies bündeln könnte. Eine Redaktion, feste Rubriken, der tagesaktuelle journalistische Blick, die eingehende Analyse. Wahlweise als Internetportal mit integrierter Blogtechnik, um auch die Kommunikation mit den Lesern zu gewährleisten, oder als hübsche digitale Zeitschrift im PDF-Format, warum nicht auch beides kombiniert. Alles kostenlos, mit der Möglichkeit, dem Team einen kleinen Obolus nach Gutdünken zukommen zu lassen, um wenigstens die Kosten reinzukriegen.

Ein Krimimagazin stünde nicht in Konkurrenz zu den bereits existierenden Angeboten. Es wäre eine Plattform, State of the Art in Sachen Krimikultur. Indem man die Aufgaben auf viele Schultern verteilte, auch arbeitsmäßig zu überblicken. Ein permanentes Krimijahrbuch, gewissermaßen, mit einer Redaktion, in der sich jede/r der Verantwortlichen einer Spielart von Krimi widmen könnte, dem Roman, dem Film, dem Comic, außerdem den Aktualitäten, den umfassenderen Ansätzen. Gerade letztere würden von einem solchen Magazin profitieren. Es würden Arbeiten entstehen, wie wir sie auch im Krimijahrbuch immer wieder gefördert haben, große, vielseitige Projekte, die ohne die Möglichkeit zur Publikation ansonsten ungeschrieben geblieben wären. Krimikultur jenseits der bloßen Rezension, Wertendes, Zusammenfassendes.

Ob sich vielleicht auf diesem Umweg ein Printmagazin lancieren ließe? Ich weiß es nicht, bleibe aber skeptisch. Als Realist sollte man die Marktgesetze im Blick haben, und die sagen einem erbarmungslos: Dem Angebot steht keine ausreichende Nachfrage gegenüber. Ob sich wenigstens eines Tages genügend Leute finden, ein digitales Magazin auf die Beine zu stellen? Oder brauchen wir auch das nicht? – Für einen Moment vergesse ich meine Skepsis und sage: Doch, brauchen wir. Ja, könnten wir schaffen.

23 Gedanken zu „Wer braucht ein Krimimagazin?“

  1. Warum verkaufen sich Filmmagazine (Cinema, epd) nach wie vor? Wegen der bunten Bilder? Wieso überleben Literaturzeitschriften wie LITERATUREN?

  2. Hallo, Thomas. Ich sehe in Deutschland durchaus Chancen für ein Krimimagazin, das mit dem Aufmacher „Andreas Franz – die große Homestory“ lockt, über „die zehn blutigsten Krimis aller Zeiten“ berichtet und sich fragt, wer Stieg Larsson ermordet hat. Da gibts denn auch die großen Vierfarbanzeigen der Verlage. Klar, so eine Zeitschrift wie „Literaturen“ mag funktionieren, weil sie eine GEWACHSENE Nischenleserschaft bedient. Die gibts auch für Kriminalliteratur, aber sie ist viel kleiner. – Sagt mir jedenfalls meine vierjährige Erfahrung mit dem KJB. Aber okay, vielleicht waren da bisher einfach die falschen Leute am Ruder. Kann sein. Werden wir ja sehen.

    bye
    dpr

  3. Ach, Stieg Larrson wurde ermordet. Russischer Geheimdinst, neidischer Kollege oder (mein Tip) der Verleger. Muss ich gleich mal bei Wikipedia eintragen.

  4. Vielleicht wird das Jahrbuch aber doch mühselig allmählich den Markt ein wenig auflockern und Bedarf wecken. So gern ich im Netz herumdusele: ich mag Papier. Vor allem, wenn’s in Texten um Bücher geht. Vermutlich kitzelt das irgendwelche Spiegelneuronen in der Grütze. Das muss doch anderen aus der noch nicht ganz verschwarzlochten Holzmediengalaxis auch so gehen…?

    Filmmagazine sind leider ein schlechtes Beispiel. Cinema leistet inhaltlich das, was die Gratismagazine an der Buchhandelskasse auch schon können. Der Katholische Filmdienst und epd-Film arbeiten meines Wissens beide nicht kostendeckend, die Kirchen schießen da jeweils zu.

    Für ein vierteljährliches Krimimagazin, einladend layoutet, lockend illustriert, das die Herausgeber und Autoren entlohnen könnte, bräuchte man einen Großinvestor/Mäzen. Freiwillig nimmt die Rolle keiner an. Da müsste man schon ein halbes Rennpferd ins richtige Bett legen.

    Schöne Grüße,

    tkl

  5. All diese Kommentare klingen mir zu sehr nach andauerndem Lamento. Man lechzt nach Bedeutung und bekommt sie einfach nicht.
    Dabei bleibt schlicht festzustellen: Krimis im Allgemeinen und der Kriminalroman im Besonderen haben zwar ein ungeheueres Publikum, wenn man sich allein schon die Bestsellerlisten, Verkaufszahlen etc. anschaut. –
    Dennoch nimmt dieses putzmuntere Genre kaum jemand in dem Maße Ernst, dass es nicht nur als schick oder angesagt gilt, z.B. einen Lokalkrimi oder auch einen Stieg Larsson zu lesen, sondern sich mit der Themenwelt der Kriminalliteratur und ihrer Ausdruckswelt womöglich zu identifizieren und von daher schon zwangsläufig mehr darüber wissen zu wollen. Selbst viele eingefleischte Krimileser tun das nicht. Wohl weil sie schlicht – zwar auf recht spezielle Weise, dann aber doch nur – unterhalten werden wollen. Darüber unterhalten sie sich dann nebenbei vielleicht noch ganz gerne, aber dem Ganzen einen höheren Grad an Bedeutung zuzumessen …? – Fehlanzeige.

    Woher auch? Wenn zum Beispiel selbst der Suhrkamp Verlag seine neu erscheinende Krimiserie auf eine derart belanglose Unterhaltungsschiene herunterzwingt und auf jeglichen Anspruch verzichtet, wozu dann eine publizitische Manifestation der Krimikritik, die nicht nur einmal indigniert feststellen muss, dass

    „… kein Verlag der Welt für ein Projekt [zahlt], das 80% der weltweiten Krimiproduktion (und mit viel Pech 90% der Hausproduktion) als Schrott & Schotter bezeichnen müsste.“
    (Thomas Wörtche, Das Mörderische neben dem Leben, S. 12)

    Die Kriminalliteratur kann im Wettstreit der öffentlichen Aufmerksamkeit und der publizistischen Deutungshoheit nur gewinnen, wenn es ihr gelingt, nachhaltig auf ein eher bedrückendes Faktum ihrer Darstellungskraft hinzuweisen: Der Kriminalroman heutzutage ist in seinen besten Teilen der stärkste Ausdruck von Realität und Gegenwartsbeschreibung, die Literatur leisten kann. Und dies liegt vor allem daran, das heutigen modernen Gesellschaften alltäglich deutlich vor Augen geschrieben steht, wie sehr Kriminalität und Verbrechen nicht nur zu einem beherrschenden, sondern beinahe zu einem konstituierenden Faktor unseres alltäglichen Lebens geworden ist …

  6. Da sind wir uns in den Schlussfolgerungen ja völlig einig, lieber Herr Scheffelmeier. Ein Krimimagazin müsste die Hand, die es mit Werbeanzeigen füttert, permanent schlagen. Es würde auch nie „die Massen“ erreichen können. Andererseits: Was, wenn nicht kritische Begleitung kann darauf hinweisen, dass Kriminalliteratur von besonderer gesellschaftlicher Bedeutung ist? In diesem Sinne möchte ich auch nicht lamentieren, sondern handeln. Es will mir einfach nicht in den Kopf, dass es unter 100 Millionen deutschsprachiger Menschen, von denen viele auch KrimileserInnen sind, sich nicht ca. 1000 finden, die eine Interesse daran haben könnten, „Krimikultur“ zu entwickeln. Das wäre, nebenbei, für eine Zeitschrift immer noch viel zu wenig, für eine Zeitschrift jedenfalls, die auf dem üblichen Vertriebsweg laufen müsste. Es gibt aber auch andere, kleinere Lösungen. Doch auch hier gibt es eine Absatz-Schmerzgrenze. Ich kann ja mal die Testfrage stellen: Wer von den wtd-LeserInnen wäre denn bereit, ein, sagen wir dreimal jährlich erscheinendes Krimimagazin à 80 Seiten zum Preis von übern Daumen 10 Euro zu abonnieren? Wenn wir „nur“ 500 zusammenbekämen, würde ich sofort damit anfangen…

    bye
    dpr

  7. Leute, Leute, Leute! Das klingt mir einfach insgesamt und allzusehr nach „wishful thinking“. Die intellektuelle Qualität, die Kriminalliteratur im deutschsprachigen Raum derart und in den angedachten Formen wirklich zu befördern, die sehe ich bisher kaum irgendwo.

    Lest Euch doch zum Beispiel noch einmal genau Manchettes „Chronique“ durch. Der hatte eine Stoßrichtung! Oder guckt Euch die verstreuten Wörtche(n)-Beiträge an: Der weiß, was er will!

    Daran gemessen sind mir doch die allermeisten BLOGs, Foren und emsigen Krimi-Beobachter allemal allzu flau. Welcher ernstzunehmende Kopf wollte deren Inhalte auf Dauer genauso interessiert wie kritisch oder gar unterhaltsam lesen? Womöglich dann auch noch dauerhaft in Print-Form? (Momentan ist man ja mit allzuwenig doch zu schnell zufrieden.) Und selbst wenn das Aufgetischte manchem Geschmack zu entsprechen oder Orientierung zu versprechen vermag:
    Ihr seht doch selbst, dass diese Schaffenslinie offenbar weder eine höhere Qualität erfüllt oder gar die gewünschte Bedeutungskraft entfaltet, die Ihr Euch hier irgendwie herbeizuschreiben bemüht.
    Sorry, aber ernstzunehmende Literaturkritik tickt anders …

  8. Aber schauen Sie doch mal, mein Lieber: Sie konstatieren mangelnde Intellektualität, sind aber strikt gegen jedweden Versuch, das intellektuelle Klima für Krimis zu verbessern. Dass Literaturkritik anders tickt, nun ja, dem ist wohl so. Dass sie, um richtig und manchmal überraschend anders zu ticken, aber auch entsprechende Örtlichkeiten braucht, um außerhalb des alltäglichen Wischiwaschi produziert und gehört werden zu können, dürfte unstrittig sein. Wie schwer und langwierig das werden wird, sehen Sie ja schon an meiner kleinen Gretchenfrage, wie es denn das Publikum mit einem deutschen Krimimagazin halten würde. Es haben geantwortet: eine liebe Leserin aus Kanada und zwei einheimische Knallseppel. Also keine Sorge: Größere Anstrengungen zur Beförderung von Krimikultur wird es in nächster Zeit hierzulande nicht geben können.

    bye
    dpr

  9. Lieber dpr!

    Ich möchte nun speziell Ihre[n] „Versuch[e], das intellektuelle Klima für Krimis zu verbessern“ keineswegs herabwürdigen. Und ich bin andererseits sicher kein Verfechter hochtrabender Intellektualität. Dennoch bedürfte es weit mehr an Trennschärfe und Radikalität, um einem vernünftigen Krimi-Magazin oder auch einem nur irgendwie anders gearteten populären und aufklärerischen (!) Forum auf die Beine oder gar auf den Weg zu helfen.

    Dazu gehört zwangsläufig ein Konzept, dass sich das angestrebte kritische Potenzial auch für das breitere Publikum als genießbar und womöglich faszinierbar gestaltet, ohne sich zwangsläufig dem stinknormalen Unterhaltungs-Krimileser, sprich: dem Massenpublikum, anbiedern zu müssen. (Die Krimicouch ist eben eine Krimicouch. Und dabei kann man genauso gut einschlafen oder beginnen zu schnarchen.)

    Und das [unterstrichen; H.S.] sehe ich weder für die an sich lobenswerten Projekte wie das Krimijahrbuch noch für das ganze Sammelsurium an Internetseiten, die sich für das Genre (mithin sicher jeweils nicht ganz kopflos!) einsetzen.

    Gleichzeitig sehe ich zum Beispiel mit wenigen Ausnahmen nicht einmal einen wirklich wirkungsmächtigen Kritiker, keine „Gruppe“ oder Autoren in der ganzen „Krimi-Landschaft“, der das entscheidend voranbringen könnte.

    Meine Güte, da draußen (ich sitze hoch oben im dritten Stock an einem nächtlichen Berliner Ufer) ist die Kacke am Dampfen, und in den erwähnten „Medien“ lässt sich fortgesetzt irgendwer über irgendwelchen fiktiven Schmalspur-Krimiwahn mit Lokalkolorit aus! (Die Primärproduktion, also besagte 80-90% Schrott & Schotter – laut Thomasius Wörtche) – Darf ja in unserer vielgestaltigen Gesellschaft durchaus sein, darf aber doch nicht die öffentlich wirksame Regel werden!

    Eins ist definitiv nicht kompatibel oder schwer erreichbar: Dem Massenpublikum „einzutrichtern“ oder einfach nur „nahe zu bringen“, dass das, was in besserer Kriminalliteratur dargestellt wird, einen prekären Wirklichkeitskern hat, der den eigenen moralischen Vorstellungen oft nur spottet.

    Aber dafür, nämlich die Erkenntnis und Feststellung bedeutsam nach außen zu tragen, dafür gibt es eigentlich nach wie vor doch äußerst nützliche Kritiker und Intellektuelle. Aus allen Bereichen, – wenn sie denn nur bereit sind zu schreiben.

    Und das ist die Pointe: Kriminalität und Kriminalliteratur als fiktiv-reale Wirklichkeit derart darzustellen, dass die Leser/innen nicht nur über die gelesenen „Verhältnisse“ den Kopf schütteln, sondern über ihre Lektüre auch den Mut fassen, sich dies – wie auch immer geartete … – so nicht mehr bieten zu lassen.
    Ob es da nun wie bei Arne Dahl um Frauenhandel, wie bei Wolfgang Schorlau um politische Korruption oder wie bei Michael Connelly und seinem L.A. um die bedrückende Allgegenwart des Verbrechens und die fortwirkende Brutalität des Verbrechens aus der Vergangenheit geht: Dies alles ist jeweils ein Aufschrei, das Verhältnisse geändert werden müssen. Und solches findet nicht in einem Politik- oder Soziologie-Seminar statt, sondern vor unserer eigenen Haustür (und ein paar Bordsteine weiter).

    Jedoch verharren wir ja eigentlich noch in unserem fortgesetzten Lamento. Bei der Gelegenheit: Was habe ich hier an dieser Stelle irgendwann einmal in einem Beitrag gelesen? – In diesem (eigenen) Saft kann tatsächlich man ewig schmoren!

    Gute Nacht!

  10. Lieber Herr Scheffelmeier, verzeihen Sie die aus Zeitgründen vorerst knappe Antwort (wird noch ausführlicher). Das mit dem „eigenen Saft“ kann ich inzwischen allerdings nicht mehr hören. Natürlich wälzen wir uns alle darin, worin denn sonst? Wichtig ist, ob man die Säfte anderer erreicht, ob man auch die Grenzen des Generalthemas weiterzieht. Das wird hier versucht. Die Verbindungen zwischen literarischen und wirklichen Verbrechen, der Krimi als Verdummungsmittel (was mir regelmäßig von schlichteren und bigotten Gemütern den Vorwurf der Leserbeschimpfung einbringt), die Frage nach dem Wert von Tradition und Krimikultur. Das alles gibt es hier seit Jahren, manchmal heftig diskutiert, manchmal nicht. Eigener Saft? Mag sein. Aber bitte, bitte, wenn mir mal jemand sagen könnte, wie so ein Blog, der sich nicht im eigenen Saft wälzt, aussehen müsste? – So, ich muss jetzt noch an den Schluss meines Krimimärchens, der gefällt mir nämlich noch nicht. Später mehr.

    bye
    dpr

  11. Auch einem Magazin, das intellektuellen Anspruch noch so markig vor sich her trägt, das sich als Kampfblättchen einer einzigen, sehr engen Lesart von Krimi versteht, würde ich ja gutes Gelingen wünschen. Ich kann dafür allerdings keinen Markt entdecken. Vielleicht ist auch das ein Symptom des blinden Populismus.

    Das Krimimagazin, das ich gerne am Kiosk sähe, wäre viel schlichter und offener gehalten, sein Vermittlungseifer auf drei, vier Grundthesen beschränkt.

    – Ein lesenswerter Krimi ist nicht dadurch definiert, dass mir die Figuren sympathisch sind.

    – Ein lesenswerter Krimi ist nicht dadurch definiert, dass mir die Orte oder jedenfalls Ortsnamen vertraut sind.

    – Ein lesenswerter Krimi ist nicht dadurch definiert, dass Erzähler oder Figuren meine Weltanschauung bestätigen.

    – Ein lesenswerter Krimi ist nicht dadurch definiert, dass er die Steigerung dessen anstrebt, was mich an anderen Krimis geschockt, gelockt, gegruselt hat.

    Schöne Grüße,

    tkl

  12. Da fantasieren sich die Herren jahrelang was von Realität und Krimi daher und raffen nicht, dass wir gerade Wirtschaftskrise haben. Große und kleine Zeitungen und Publikumsmagazine kämpfen ums Überleben, weil Anzeigen wegbrechen und das Internet immer mehr Leser abgreift. Allein in den letzten 6 Monaten wurden mindestens 13 Magazine (von \“Amica\“ über \“Tomorrow\“ bis hin zu \“Wertpapier\“) eingestellt. Auf welchem Stern lebt ihr?
    Und Herr dpr hat ja wohl schon reichlich gedruckte und digitale Totgeburten produziert, die kein Mensch kaufen will. Leider auch nicht die schlichteren Gemüter. Dummerweise braucht man die aber, um Käufermasse zu bekommen. Geht Bienenzüchten.

  13. Ich habe ja in meiner Spontanskizze darauf einzugehen versucht, lieber Herr Scheffelmeier: Man kann die Trivialität des Genres nutzen, um sein aufklärerisches Potential zu stärken, vielleicht erst ins Bewusstsein der Leserschaft zu bringen. Die Grundthesen von tkl wären dazu tatsächlich ein erster guter Schritt. Literatur, die mich mit etwas jenseits des Affirmativen konfrontiert. Es ist ja nun nicht so, als würden die von Ihnen genannten Autoren – Dahl et al – nicht gelesen. Auf die Rezeption kommt es an. Lesen wir diese Krimis etwa nicht so, wie wir uns in der Tagesschau betrachten, wie Menschen auf der Flucht vor Armut ersaufen? Also durchaus „betroffen“, aber eben nur bis zur nächsten Nachricht (Bayern wird deutscher Meister) oder zur nächsten Sendung (Dummdeutschland sucht irgendwelche Superstars)? Ich jedenfalls würde mir von einem Krimimagazin wünschen, dass es dieser Flüchtigkeit, mit der Wirklichkeit rezipiert wird, eine ernsthaftere Konstante entgegensetzt. Das alles weder verkniffen noch in einem intellektuellen Chiffrendickicht verschwindend, sondern als – vielleicht nicht „wirkmächtiges“, aber auch nicht sinnloses – Stückchen wiederbelebter Intelligenz. Nein, ich halte Leser nicht für dumm. Ich halte sie im Gegenteil für potentiell intelligenter als es die Manipulatoren annehmen. Das könnte man schon dadurch beweisen, dass man die ebenfalls auf „dumm“ domestizierte Kriminalliteratur zu ihren eigentlichen Wurzeln zurückentwickelt. Oder, besser: Den Umgang mit ihr.

    bye
    dpr

  14. Dann doch also einfach mal naiv dahingesponnen und nicht nur vorgeblich daher-theoriesiert, und dabei auf einen wie auch immer fragwürdigen Punkt gebracht. – Ich denke so für meinen Teil vor mich hin. Wie wollte ich mich in Papierform selbst gerne hinsichtlich der Kriminalliteratur am besten informieren?

    Ein wie auch immer geartetes Krimi-Magazin müsste da meiner Meinung und meinen Bedürfnissen nach mit einem sehr ausgewählten Redaktionsteam und mit dezidiert geprüften Artikeln und Beiträgen aufwarten:

    1.) Ein „scharfes“ Editorial zur jeweils aktuellen Krimi-Produktion (all das steht und fällt meist mit dem geeigneten Chefredakteur oder Herausgeber)
    2.) Intelligente Inhaltsangabe und (natürlich ein anarchisches) Impressum
    3.) Min. bzw. max. 25% des Inhalts belegt durch Verlags- und andere Werbung
    4.) Herausragendes aus der jeweils aktuellen Krimiproduktion, Neuheiten, Neuauflagen
    5.) Ein oder mehrere Autorenporträts, im Zweifelsfall Autorenfragebogen
    6.) Ein kritisches „Länderporträt“: Krimiproduktion inkl. nationaler „Kriminalstatistik“
    7.) Etwa 15-20 (Kurz-)Rezensionen zu den jeweils aktuellen Krimis der Saison (Frühling, Sommer, Herbst und …) – (Autoren-)Auswahl ist wichtig!
    8.) Unterhaltungsteil mit Krimirätsel und Preisausschreiben etc. pp.
    9.) Großer Meinungsteil (die Leute wollen sich immerhin doch noch ganz gerne gedruckt sehen)
    10.) Highlights der Saison (wie auch immer man das definieren will)
    11.) Historischer Abschnitt (z.B. „Der Kriminalroman in Neuseeland“)
    12.) Jeweils 1-2 Autorenvorstellungen
    13.) True Crime
    14.) Einen hochwertigen Originalabdruck in Fortsetzung (Faksimile, Vorabdruck eines neuen Romans – was auch immer) – Stichwort Fortsetzungsroman
    15.) „Talentschuppen“: Neue Autoren/innen mit kurzen Texten oder Romanauszügen
    16.) Verknüpfung mit bestimmten Internetforen, wo sich die Leser/innen gezielt mit Meinungsäußerungen manifestieren können
    17.) Verlagsnachrichten und Bibliographien zu den saisonalen Veröffentlichungen
    18.) Grafische Highlights (vgl. vor allem hinsichtlich der Cover das ehemalige Haffmans-Magazin “Rabe” u.a.), aber andererseits bestimmt keines der Layouts des Krimijahrbuchs etc. pp.
    19.) Krimizitate (i.d.R. aus der aktuellen Produktion)
    20.) Korruptions-, Verbrechens- und Milieuglossen: Kriminalität im normalen, gesellschaftlichen oder politischen Alltag
    21.) Interviews (mit Krimiautoren, Kriminellen, Politikern u.a.)
    22.) Themenbezogene Karikaturen
    23.) Statistik: Datenschutzbericht und Großstadt-Statistiken
    24.) Bundesweite Veranstaltungshinweise (incl. Verlosungen mit Freikarten zu Lesungen etc.)
    25.) Kino, Comic, Film und Fernsehen
    26.) (Online-)Abonnements und Leserbriefe
    27.) Spezielle Vorschau (mit Insider-Tipps)
    28.) Todesanzeigen
    29.) Enge Verknüpfung mit einer begleitenden Website mit veränderten Inhalten
    30.) Vorzugsweise Partner: Hinweise auf Krimibuchhandlungen und ihre Aktivitäten. Keine Großunternehmen!!!

    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit müssten natürlich noch gesondert definiert werden. Breitenwirkung: Man müsste es anfangs doch zumindest einmal ins Radio schaffen, nicht wahr!?

    Damit beschreibe ich ja nun keineswegs irgendetwas Neues. Das kennen wir im Verschiedenen nun zu Genüge aus verschiedensten vorhandenen Publikationen, Krimi-Foren und sonstigen „Projekten“. Es ist damit mitunter die klassische Struktur einer themenbezogenen Zeitschrift abgezeichnet. Aber es geht ja schließlich auch nicht darum, ein völlig neue Publikationsform zu erfinden. Sondern sie mit intelligenten und im Vergleich zum Mainstream neuen originellen Inhalten anzufüllen. Konzentrieren sollte man sich dabei vor allem auf das Besondere, und nicht aus opportunen Gründen auf das Allgemeine, welches „billige“ Vorteile und Gewinne verspricht. (Großes Geld verdient man mit „Krimi“ ohnehin nicht.)
    So wäre ein Krimi-Magazin, das vierteljährlich etwa zum Preis von 5,- Euro (bei entsprechender Werbeabdeckung) + x erscheinen müsste, auf ungefähr 200 Seiten zu veranschlagen, aber vor allem in seinem Konzept strikt durchzuführen.
    Allerwichtigst dabei: Autorenwerbung und –auswahl. Nicht der einfache Rückgriff auf offenbar Naheliegende(s)! Also weder Kraut-und-Rüben-Kompromisse hinsichtlich dem Inhalt noch dem Layout (oder der allgemeinen Optik), den Autoren/innen oder den Inhalten der redaktionellen Beiträge. (Was zwangsläufig eine Programmdebatte nach sich zieht.)

    Nun ja, und da beginnen bei all meinem aktuellen Anschauungsmaterial eben so meine Zweifel …

    Das alles ist einfach mal so und ungeschützt dahingesponnen, aber doch hoffentlich gleichzeitig einmal so konkret, dass man nicht nur vom eigenen Saft schmecken muss!?

    Damit habe ich mir doch nun ein wenig ausführlicher Mühe gegeben: Jetzt darf die Kritik ruhig auf mich einstürmen!

    Zuletzt eine höchstironische Frage: Wann starten wir?

  15. gehen sie dem blender dpr doch nicht auf dem leim, herr scheffelmeier. der hat schon genügend literarische projekte in den sand gesetzt.

    übrigens werden hier kommentare zensiert.

  16. Hier wird natürlich NICHT zensiert. Nur manchmal gerät ein Kommentar – wie der von Alex, s.o. – in den Junk-Eimer und muss rausgeholt werden. Passiert sogar bei denen, die mir freundlich gesonnen sind. Die melden sich dann meistens irgendwie und das Problem ist gelöst. – Ich wäre übrigens ziemlich blöde, solche schönen Kommentare wie die von Alex oder Xela (sehr einfallsreich) zu zensieren. Eine gewisse Schlichtheit entlarvt sich immer selbst am schönsten.

    bye
    dpr

  17. Wir fangen selbstverständlich sofort an, mein lieber Herr Scheffelmeier. – Sobald wir den Mäzen (Georg würde sich jetzt mit einem Mä-5 begnügen) gefunden haben, der uns die Million (oder 2,3?) rüberreicht, sobald uns die Verlage Anzeigen zugesagt haben, sobald die ersten 50.000 Abonnenten bezahlt haben, sobald wir ein repräsentatives Redaktionsgebäude mit zwanzig fähigen Vollzeitmitarbeitern ausgesucht haben… etc. Und, ganz wichtig, ICH darf natürlich nicht mitmachen, weil ich ja nur Sandburgen baue, was in Deutschland verpönt ist, weil immer die „mehr Risiko!“ schreien, die keins eingehen. Ecetera.
    Sie stellen da, das wissen Sie auch, Maximalforderungen auf, die unrealistisch bleiben müssen. MIr ist das durchaus sympathisch, wiewohl ich mit kleineren Lösungen vorab zufrieden wäre. Das Unerreichbare anstreben, um das Erreichbare zu bekommen…

    bye
    dpr

  18. Lieber dpr!

    Nichts anderes habe ich erwartet. Ein Freund von mir nennt so etwas „Bla und Blubb“. Wer hält sich gerne mit Belanglosigkeiten auf?
    Von mir werden Sie also so schnell nichts mehr hören. Und das ist nicht einmal böse gemeint. Machen Sie weiter Ihren Job!

  19. Na, jetzt mal sachte, mein Lieber. Sie haben dankenswerterweise die Vision einer wirklich GROSSEN Krimizeitschrift entwickelt, an der ich mich sofort beteiligen würde, wenn die Grundvorsetzungen gegeben wären. Da ich allerdings annehme, dass dies zu meinen Lebzeiten nicht so sein wird, bevorzuge ich lieber bescheidenere Lösungen. Sandburgenbauen ist ja ganz schön – aber wenn noch nicht einmal Sand da ist? Selbst diese bescheidenere Lösung liegt in weiter Ferne. Und, Sie haben recht, vorläufig mache ich hier meinen Job, baue meine Burgen, sehe zu, wie sie zerstört werden und fange von Neuem an. Auch eine bekömmliche Existenz.

    bye
    dpr

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