In den letzten Wochen hatte ich aus Zeitgründen darauf verzichten müssen, Bücher parallel lesen. Jetzt setze ich wieder an und auch gleich in der idealen Konstellation, ein gelungenes neben einem misslungenen Werk. Das schärft allgemein die Sinne, lässt die Hochachtung vor der literarischen Leistung steigen und die Verachtung des schlichtweg langweiligen Runterschreibens wachsen.
Bei dem misslungenen Werk handelt es sich um Gerhard Loibelsbergers „Die Naschmarktmorde“. Wohl preist es der neckige Blurbfabrikant als einen „Knaller“ an, es erinnert denn aber doch nur an jene Jugendepisode, als wir kurz vor Sylvester mit ein paar Knallfröschen das Viertel akustisch in Angst und Schrecken versetzen wollten. Und sich leider herausstellte, dass keiner von uns Streichhölzer eingesteckt hatte.
Das gelungene Werk: „Saide“ von Octavio Escobar Giraldo. Keine 150 Seiten (und, da großzügig gesetzt, gerade einmal halb so viel Text wie auf Loibelsbergers 270 Seiten), aber was für eine erzählerische Ökonomie! Ein Musterbeispiel auch für die These, man müsse keine „akribische Personenzeichnung“ anfertigen, um Figuren mit Tiefe zu versehen. Ein Buch aus dem heutigen Kolumbien, das Verbrechen nicht wie bei Loibelsberger als Lockstoff für allerhand wohlfeiles Zeitkolorit, sondern eine ernste Sache, die sich aus den gesellschaftlichen Zuständen ergibt und gleichzeitig diese Zustände konturiert.
Rezensionen wird es zu beiden Titeln geben, versteht sich. Bis dahin werde ich mir zwei neue Antipoden aus der Riesenkrimiauswahl geangelt haben: einen schlechten Krimi (dürfte kein Problem sein) und einen wirklich guten (schon eher eins).
dpr