Malla Nunn: Ein schöner Ort zu sterben

Nach dem Ende der Apartheid hat Südafrika viele Geschichten zu erzählen. Und es sind naturgemäß kriminelle Geschichten, die das Bild einer aberwitzigen Ideologie zeichnen. Malla Nunn zieht uns mit „Ein schöner Ort zu sterben“ tief in die Vergangenheit und erzählt, wie es gute Literatur immer tut, dabei viel über die Gegenwart.

1952. In einer südafrikanischen Provinzstadt nahe der Grenze zu Mozambique wird ein Polizist erschossen. Der, ganz blonder und stolzer Bure, war der Herrscher des Ortes, mit einer stattlichen Zahl ebenso blonder und stolzer Söhne gesegnet, Afrikaner einerseits und mit den Sitten der Eingeborenen vertraut, andererseits aber eben auch Rassist reinsten Wassers, der über die Einhaltung der „Rassengesetze“ zu wachen hatte. Sich mit einer „andersrassigen“ Person intim einzulassen, war ein Schwerverbrechen, eine Sünde wider die These vom auserwählten Volk des weißen, holländischstämmigen Menschen. Von Anfang an hat Detective Sergeant Emmanuel Cooper, der aus Johannisburg entsandte Ermittler, keinen leichten Stand. Die Söhne des Toten drängen, die Stadt verfällt in Schweigen. Als dann auch noch der Geheimdienst ins Spiel kommt, dem ein politischer Mord gelegen käme, wird es brenzlig für Cooper. Er wird abgeschoben, soll einen Reihe von Fällen sexueller Belästigung aufklären. Man bedroht ihn offen, doch Cooper bleibt auf der Fährte des Mörders.

„Ein schöner Ort zu sterben“ hat einige Pfunde, mit denen sich wuchern lässt. Die Kriminalhandlung selbst ist abwechslungsreich, rasant und von jener Spannung, die ein „Whodunnit“ braucht, ohne sich in seiner Dramaturgie auf die Mörderentlarvung zu beschränken. Cooper agiert als ein durchweg labiler Charakter, ein Engländer, der nicht in die heile Rassewelt der Buren passt, vom Zweiten Weltkrieg psychisch beschädigt, von einem Geheimnis umgeben, das erst am Ende gelüftet wird. Am gelungensten jedoch das Thema selbst, jene irrwitzigen Rassengesetze. Nunn teilt das Personal nicht in Böse und Gute, nicht fein säuberlich in Täter und Opfer. Sie zeigt vielmehr, wie diese Ideologie Schaden bei allen Beteiligten anrichtet. So werden aus Figuren eines politisch-historischen Lehrstücks Menschen mit zerbrochenen Identitäten. Und genau hier reicht der Text erheblich über seinen konkreten Gegenstand hinaus, weil er den geradezu religiös verbrämten Rassismus als eine in allen Winkeln tätige destruktive Kraft entlarvt.

Diese Personenzeichnungen sind die eigentliche Stärke des Buches. Die Figur des „alten Juden“ etwa, der – gelernter Arzt – sich als unscheinbarer Kaufmann zurückgezogen hat, der Vergangenheit aber nicht entkommt. Ein Rassismusopfer, das zynischerweise nun nicht mehr ganz unten auf der Skala steht. Auch der Tote selbst erhält während Coopers Nachforschungen irritierende Konturen, je mehr wir von ihm erfahren, desto deutlicher wird, wie eine zur Heilslehre deformierte Überzeugung sich quasi selbst ad absurdum führt.

Einige, wenngleich zu vernachlässigende Schwächen des Textes lassen sich konstatieren, etwa Coopers „innere Stimme“, die sehr stark an Charles Todd und seinen von den Schrecken des Ersten Weltkriegs traumatisierten Ermittler Rutledge erinnert. Das wirkt ein wenig aufgesetzt. Auch manch verstärkende Information über den Irrwitz der Rassengesetze hätte man sich sparen können, wird doch eben dieser Irrwitz eindrucksvoll aufgezeigt.

Dennoch: Insgesamt ist Nunns Buch ein starker und eindrücklicher Text nicht nur über Historisches, der komplexe Sachverhalte in spannender und unterhaltsamer Form zu erzählen weiß, ohne sie zu banalisieren. Das Ende ist konsequent: Pessimistisch, was die Gegenwart betrifft, optimistisch in die Zukunft schauend.

Malla Nunn: Ein schöner Ort zu sterben. Rütten & Loening 2009 
(A beautiful place to die, 2009. Deutsch von Armin Gontermann).
407 Seiten. 19,95 €

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