Was vom Jahre übrig blieb… Wir stellen in dieser Reihe einige Veröffentlichungen vor, die anfangs auf der Strecke blieben und dennoch nicht unrezensiert in unser Archiv abwandern sollten.
Kaum zu glauben, aber Blind Melon, die mit dem Ohrwurm „No Rain“ und dem pummeligen Bienenmädchen im Video, sind zurück. Eigentlich gibt es die Band schon länger wieder, doch erst neulich erschien hierzulande ihr Comeback-Album „For My Friends“ (ear music/edel). Nach dem tragischen Tod von Shannon Hoon anno 1995 suchten die verbliebenen Musiker lange einen neuen Sänger. Den hatten sie eigentlich in Travis Warren gefunden, doch der stieg schon Ende 2008 wieder aus. Wie gut er war und wie nah er an Hoon herankam, kann man auf dem 2008 in den USA veröffentlichten Album „For My Friends“ nachhören. Letztlich klingt die Hippie-Alternative Rock-Band nicht viel anders als man sie in Erinnerung hatte.
Gar nicht so weit weg von Blind Melon musizieren die Fruit Bats. „The Ruminant Band“ (Sub Pop/Cargo) steckt wie „For My Friends“ voller Leidenschaft und Hingabe, hat seine Wurzeln aber nicht im 90er Jahre-Alternative/Grunge Rock, sondern im Indiefolk/rock. Gegründet wurde die Band Ende der Neunziger von Eric Johnson, der mittlerweile auch Mitglied bei The Shins ist. Mehr muss man gar nicht mehr sagen. Natürlich sind Fruit Bats völlig erhaben. Mit spielerischer Leichtigkeit und vor allem mit unwiderstehlichen Melodien wickeln sie sich den Hörer um die Finger.
Zum Träumen ist „The First Days Of Spring“ (Young And Lost Club/Coop/Universal) — auch im Winter. Das zweite Album der Londoner Band Noah And The Whale steckt voller Melancholie und weckt Erinnerungen an die Tindersticks. Die Texte kreisen sich um das Aus der Beziehung zwischen Sänger Charlie Fink und Laura Marling, die konsequenterweise auch nicht mehr Mitglied der Band ist und somit auch nicht auf dem zweiten Album singt. Wen wundert es demnach, dass der Band fast keine „happy-go-lucky“ Musik einfiel. Trotzdem wundervoll: beispielsweise „My Broken Heart“ mit seinen Trompeten oder das hibbelige, doch etwas aufmunternde „Love Of An Orchestra“.
Aufmunternd ist sicherlich das gänzlich falsche Attribut, um die Musik der 19-jährigen Österreicherin Anja Plaschg, besser bekannt als Soap & Skin, zu beschreiben. Wer von ihrem düsteren Piano-Dramen nicht genug bekommen kann, dem sei die EP „Marche Funèbre“ (Couch/PIAS/Rough Trade) ans schwarze Herz gelegt. Die beinhaltet neben dem bereits von ihrem Debütalbum „Lovetune For Vacuum“ bekannten Song „Thanatos“ einen auf fast zehn Minuten ausgedehnten Remix des Titelstücks von Yrasor und eine phantastische Minimal-Version des ebenso phantastischen DJ Koze.
Und noch eine Dame: Annie. Das neue Werk der norwegischen Electropop-Musikerin/-sängerin, die gebürtig Anne Lilia Berge Strand heißt, mag im medialen Lady Gaga-Wahn vielleicht untergehen. „Don’t Stop“ (Smalltown Supersound/Alive) bietet dafür die weitaus besseren Songs: das muntere „My Love Is Better“, die 80er-Synthiepop-Hommage „Songs Remind Me Of You“, „Take You Home“ und das freche „The Breakfast Song“. Schützenhilfe erhielt Annie von den Songschreibern/Produzenten Timo Kaukolampi (Ex-Op:l Bastards), Richard X (Kelis, M.I.A.) und Paul Epworth (Bloc Party, Florence & The Machine) sowie Gastmusiker Alex Kapranos (Franz Ferdinand), dessen Gitarre in „My Love Is Better“ und „Loco“ erklingt.
(kfb)
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