„Die eisblaue Spur“ ist eines jener Bücher, bei deren Lektüre man Gott auf den Knien dankt, kein Übersetzer zu sein. Man transportiert aus dem Isländischen ins Deutsche so wie man meinetwegen eine Fuhre Kartoffeln von München nach Hamburg schafft. Sich an die Verkehrsregeln halten, zügig fahren, aber wissen, dass Kartoffeln ein relativ bedürfnisloses Gut sind, dass auch schon mal einen Wackler verträgt. Ansonsten wird’s eine recht langweilige Fahrt. Und die dürfte auch Übersetzerin Tina Flecken beim Transport dieses Buches gehabt haben.
Der Inhalt gerafft: Auf einer isländischen Forschungsstation im Grönländischen Eis sind drei Mitarbeiter verschwunden. Der Rest der Mannschaft hat die Station danach unter Protest verlassen, die Arbeit liegt brach, was beträchtliche Konsequenzen für die Firma, ihre Bank und Versicherung haben kann. Also schickt man die Rechtsanwältin Dora, ihren deutschen Freund, den Expolizisten Matthias, ehemalige Mitarbeiter und andere zur Forschungsstation, damit sie nach dem Rechten sehen.
So weit so banal. Warum sich die grönländische Polizei des Falles nicht annimmt? Angeblich ist sie ziemlich desinteressiert. Dass sie später ganz ordentliche Arbeit leistet, ist also gelinde gesagt mysteriös. Und warum befragt man die nach Island zurückgekehrten MitarbeiterInnen nicht? Hier ist die Antwort leicht: Weil dann der Fall nach höchstens 50 Seiten geklärt worden wäre und selbst der dreisteste Verlag darauf mit dem großzügigsten Satzspiegel kein Buch hätte machen können.
Natürlich gibt es sehr viel grönländische Landschaft und sehr viel arktisches Wetter. Es gibt die Probleme und Mythen der Ureinwohner, ein wenig Alkoholmissbrauch, Homosexualität und Mobbing im tragischen Dreierpack, es gibt menschliche Abgründe und den ganzen Rest, den man schon kennt. Irgendwann hofft man auf Sätze jenseits des Erwarteten, aber sie kommen nicht. Das Buch liest sich nicht schlecht, wenn draußen Schnee liegt und der Wind pfeift. Aber irgendwie ist es spannender, selber aus dem Fenster zu gucken und sich anzuschauen, wie da draußen Schnee liegt und der Wind pfeift.
Das Schlimme nämlich ist: Man glaubt die Geschichte einfach nicht. Allzu konstruiert, allzu bekannt, allzu viel Dokumentarfilm-Folklore. Man liest sich mechanisch durch, nichts an dem man sich erfreuen könnte, man ahnt, dass hier Einfachst-Isländisch in Einfachst-Deutsch übersetzt werden musste, was auch halbwegs gelungen ist. Eine gute Nachricht für Leute also, die die Sprache in Krimis eh als störendes Element empfinden. Alle anderen werden das Buch nach wenigen Seiten aus der Hand legen – wenn sie es nicht lesen, weil bei ihnen eben gerade kein Schnee liegt und kein Wind pfeift.
Yrsa Sigurđardóttir: Die eisblaue Spur
(Auðnin, 2008. Deutsch von Tina Flecken).
339 Seiten. 8,95 €
Ja, so zB kann man das machen… Immerhin wissen jetzt alle Deine Blog-Konsumenten, dear dpear, dass Yrsa S. NICHT selbst Deutsch geschrieben hat. Is’n Anfang!
Auf die ÜberSeeZungen – P.