Andrej Longo: Sarahs Mörder

longo.jpg Dass es in Sarahs Mörder nur am Rande um Sarahs Mörder geht, dämmert einem schnell. Auch Neapel, dieser korrupte, stinkende Moloch, bildet keineswegs das Zentrum des schmalen Romans, mag es uns der Verlag noch so dringend nahe legen. Sarahs Mörder handelt ganz einfach von einem Jungen, der das Leben kennenlernt, auf die harte Tour zwar, aber dennoch sensibel, von einer Katastrophe in die kleinen Nervenzellen des eigenen Lebens abgeleitet.

Er heißt Acanfora und ist Polizist. Nicht besser, nicht schlechter als die anderen, aber das beginnt sich zu ändern, als er die Leiche der jungen Sarah entdeckt, die erschlagen im Hof ihres Elternhauses in einem besseren Wohnviertel liegt. Jetzt entwickelt Acanfora Ehrgeiz. Er möchte den Mörder entlarven, der zuständige Kommissar – Exalkoholiker, traumatisiert, aber wohltuend dezent antiskandinavisch skizziert – mag den Nachwuchskollegen und bindet ihn in die Ermittlungen ein. Die verlaufen so, wie man es von einem ordentlichen Kriminalroman erwartet. Zeugenbefragungen, eine Reihe skurriler und generell am Schicksal ihrer Mitmenschen desinteressierter Zeitgenossen (→Kitty Genovese winkt im Hintergrund), Verdächtige und Verhaftungen, Spuren, die im Sand verlaufen.

Es sind keine großen Umwälzungen, die Acanforas Leben verändern und auch Sarahs Tod dient nur als Anlass, die Sinnlosigkeit einer Existenz zu erkennen, die plötzlich die Sinnlosigkeit der eigenen ist. Acanfora wird seine Mutter verlassen, die ihn, ganz italienische Mama, liebevoll bekocht und bevormundet, er achtet mehr auf seine Umwelt (am Ende wirft er gar seinen Müll in den Abfallkorb) und seine Mitmenschen. Kurz: Acanfora lernt.

Es ist diese Behutsamkeit, die den Text stärkt, der sorglose Tonfall des Ich-Erzählers, dessen Mannwerdung sich so unspektakulär gestaltet wie sich schließlich alles aufklärt. Hübscher kleiner Roman.

dpr

Andrej Longo: Sarahs Mörder. 
Eichborn 2011
(Chi ha ucciso Sarah? 2009. Deutsch von Constanze Neumann).
191 Seiten. 17,95 €

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