Auf Wiederlesen, Reginald Hill

Manche verabschieden sich klamm und heimlich, andere bläst das Posaunenheer dröhnend ins Jenseits. Bei Reginald Hill, am 12. Januar 2012 75jährig verstorben, dürfte das Ohropax nicht reichen, bei all dem nachredenden und elogierenden Schall und Schwall. Also machen wir’s kurz.

Reginald Hill zu rezensieren (nicht ihn zu lesen!) wurde mit der Zeit langweilig. Mal lobte man dies, mal jenes, mal blieb man eher an der Oberfläche, mal tauchte man etwas tiefer, was bei Hill ja möglich war. Wirklich schlecht war er nie, er war gelegentlich nicht ganz auf der Höhe seiner Kunst, was schlichtweg bedeutet: Er war auch in seinen schwächeren Momenten noch stärker als der größere Rest des Geschäfts. Hill war der Bäcker, der dir zum lecker Brot noch ein Stückchen Kuchen mit in die Tüte packt. Gratis; das musst du nicht essen, aber du darfst dich gerne an der Süße der Literatur laben, an der Süße jenseits des Wer Wars? und der ortsüblichen Spannung. Wobei selbst diejenigen, die den Kuchen verschmähten, die einfach „nur lesen“ wollten, bei Hill auf ihre Kosten kamen. Andy Dalziel piesackt, Pascoe schlaumeiert, sein Eheweib mosert und so weiter – das war AUCH jener intelligente royale Britkrimi, der mich immer ein wenig an Margery Allingham erinnert hat.

Reginald Hill steht für mich in der Kriminalliteratur dort, wo Vladimir Nabokov oder Arno Schmidt in der Nicht-Kriminalliteratur stehen. Allesamt Wortmenschen mit böse-dezentem Humor, die man auch dann mit Vergnügen lesen kann, wenn man nur mit Vergnügen lesen möchte. Gleichzeitig sind sie ARBEITER und erwarten genau das vom ambitionierteren Teil ihrer Leserschaft. Es würde mich nicht wundern, wenn sehr bald ein paar Verrückte damit begännen, Hills Texte zu „dechriffrieren“. Es würde mich nicht einmal wundern, wenn einige Verrückte es bereits täten: die Zitate, die Anspielungen, die Querverweise erschnüffeln, mit denen Hill zu arbeiten pflegte und die – wie bei Nabokov, Schmidt – mehr waren als ein Denksport für Akademiker. Sie erweiterten die Texte, sie erweiterten die Interpretation, sie erweiterten die Phantasie und den Intellekt der Leser.

Und das als Krimiautor! Vielleicht das Bewundernswürdigste an ihm ist die diebische Nonchalance, mit der er das Geradeaus-Genre Krimi zu einem komplexen Gebilde aus Sub- und Metaebenen machte, OHNE es in die Flachwelt bemühter „literarischer“, gar Kunst-Krimis hinab zu schreiben. Mit Botschaften hatte es Hill nicht; mit moralisch-philosophischen Auswürfen noch weniger. Wenn er uns damit kam, ließ die Antithese meist nicht lange auf sich warten.

Aber gut. Musste man, wie gesagt, nicht zur Kenntnis nehmen, das war eben das Stückchen Kuchen in der Tüte, neben dem Brot, das jeder gerne aß. Jetzt ist die Bäckerei geschlossen. Was wünschen wir uns für die Zukunft? Eine hübsche, wohlfeile Werkausgabe in chronologischer Reihenfolge, idealerweise mit ein paar erhellenden Essays für arbeitswillige Leser. Ist nicht zuviel verlangt. Und wer, wenn nicht Hill, hätte es verdient?

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